Wie war die erste Woche – Interview mit rdl

Im Interview mit rdl berichtet Thomas endlich live und nicht nur am Telefon, wie es ihm nach einer Woche in Freiheit geht und wie schwierig es war hier draussen Briefkästen zu finden…

https://rdl.de/beitrag/thomas-meyer-falk-ist-frei

Erfahrungsbericht mit der Forensischen Ambulanz Karlsruhe

Um das Jahr 2008 wurden sogenannte Forensische Ambulanzen (FAB) eingeführt Diese sollen ehemalige Inhaftierte oder aus dem Maßregelvollzug entlassene Menschen in der wiedergewonnenen Freiheit begleiten und auch überwachen. Dabei kommen neben Sozialarbeitenden auch Psycholog*innen zum Einsatz, welche dann therapeutische Gespräche führen. Bis zu fünf Jahren kann der Besuch einer FAB zur Auflage gemacht werden. Ich selbst habe nun einen kleinen Einblick als Betroffener gewinnen können. Die FAB in Karlsruhe hat mich vor wenigen Tagen als Klienten abgelehnt.

Wer ist die FAB in Baden-Württemberg

Die FAB in Baden-Württemberg wird getragen von BIOS e.V., der Behandlungsinitiative Opferschutz, gegründet unter anderem von OLG-Richter Klaus Böhm, vor nunmehr über 15 Jahren. BIOS betreut nicht nur ehemalige Insass*innen, sondern, der Name deutet es an, begleitet auch Tatopfer, allerdings sind die beiden Bereiche intern voneinander getrennt. Ihren Sitz haben BIOS, bzw. die baden-würtembergische FAB in Karlsruhe (https://www.bios-bw.com). Finanziell getragen wird der Verein von Spenden und Zuwendungen d.h. durch die Zuweisung von Geldauflagen seitens der Staatsanwaltschaften oder Gerichte. Die therapeutische Begleitung von Entlassenen trägt im Regelfall jedoch die Staatskasse.

Beginn meiner Erfahrungen

Vor einigen Monaten, ich saß noch in der Sicherungsverwahrung der JVA Freiburg,

wurde mir mitgeteilt, dass im Falle einer Entlassung ich um eine sogenannte „Vorstellungsweisung“ nicht herum käme. In Fällen in welchen jemand aus der SV entlassen und in dessen Fall die SV „für erledigt“ erklärt wird, ordnen die Gerichte einen umfassenden Katalog an Führungsaufsichtsmaßnahmen an. Selbiges gilt auch für alle jene Inhaftierte die ihre Strafen voll verbüßen mussten. Darunter gibt es Auflagen wie z.B. Meldepflichten bei der Polizei, bei der Bewährungshilfe, Alkoholverbote, der Verbot des Besitzes von bestimmten Gegenständen (insbesondere Waffen, Messer), die Pflicht bestimmte Orte/Straßen/Plätze nicht zu betreten (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__68b.html ). Diese „Führungsaufsicht“ kann bis zu einer Dauer von fünf Jahren ab Entlasstag ausgesprochen werden.

Unter anderem kann angeordnet werden, dass er/sie sich bei der FAB regelmäßig vorstellt. Ein Verstoß gegen eine solche Weisung ist strafbewehrt (vgl. § 145 a StGB: Geldstrafe oder Haft bis zu drei Jahren). Zusätzlich gibt es sogenannte „Therapieweisungen“: dort kann auferlegt werden sich nicht nur „vorzustellen“, also kurz bei der FAB „Hallo“ zu sagen und dann wieder zu gehen, sondern sich auf Gespräche einzulassen. Diese Therapieweisung ist insofern „freiwillig“, als keine strafrechtliche Verfolgung erfolgen darf, wenn man dieser nicht nachkommt, allerdings könnte die Dauer der Führungsaufsicht unter bestimmten Umständen über die Dauer von 5 Jahren hinaus verlängert werden.

Da es nicht ganz verkehrt sein könnte mit einer psychologisch versierten Person die möglichen Belastungen nach einer eventuell plötzlichen Freilassung nach 27 Jahren besprechen zu können, stimmte ich einer ersten Kontaktaufnahme noch in der Haftanstalt zu.

Die erste Kontaktaufnahme zu der FAB: in Haft

Zu Besuch kam Frau Dr. K. Im Zweitgespräch legte sie mir einen Behandlungsvertrag vor. Diesen müsse ich unterzeichnen, tue ich dies nicht, würde man Gespräche ablehnen. Da mir der Tonfall des Vertragstextes und erst Recht das Thema Datenschutz und Schweigepflichtentbindung aufstießen, unterschrieb ich unter dem Vorbehalt die Sache nachträglich prüfen zu lassen. Wo lag mein „Problem“ mit dem Text?

Die Betroffenen müssen die FAB von ihrer Schweigepflicht gegenüber Ärzt*innen, Anwält*innen und anderen Personen entbinden, zugleich stimmt man der Verwendung der Daten in der Forschung und zu Zwecken der Publikation zu, wenn auch diese nur in anonymisierter Form einfließen würden. Wer die Unterschrift verweigert oder später widerruft, der/die wird nicht behandelt. Das gilt für die probatorischen Sitzungen in Haft wie für die Zeit nach der Entlassung gleichermaßen.

Laut Frau K sei ich der erste Klient, der sich an alledem störe. Durchgelesen habe vor mir den Text eigentlich auch kaum jemand. Als wir über den Inhalt diskutierten kam schnell der Hinweis, dass ich im Leben in Freiheit meine Schwierigkeiten haben würde, wenn ich z.B. ein Bankkonto bräuchte, denn Banken würden mit mir sicher nicht in einen Dialog über ihre Datenschutzerklärungen treten.

Meine Eingaben

Ich schrieb dann zum einen an den Landesbeauftragten für Datenschutz, da es mir nicht so recht nachvollziehbar erschien, warum die FAB, welche einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen hat, und die behördenintern (z.B. gegenüber Gericht und Bewährungshilfe) sowie gesetzlich von der Schweigepflicht entbunden ist, noch darüber hinaus, ultimativ von den Betroffenen eine viel weitergehende Schweigepflichtentbindung einfordert. Die Verquickung mit dem Therapieangebot erschien und erscheint mir sehr fragwürdig, ob diese Kritik auch von dort geteilt wird ist noch offen.

Zum anderen wandte ich mich an den Landtag: da die FAB vom Staat (mit)finanziert wird, sollte es doch eine staatliche Aufsicht geben. Ich machte geltend, dass es rechtlich und moralisch fragwürdig sein könnte, von Menschen in einer Zwangslage gewissermaßen ultimativ diese Unterschrift einzufordern. Zwangslage deshalb, weil die dann Entlassenen gerichtlich verpflichtet werden dort zu erscheinen, die Auflagen zu erfüllen: tun sie dies nicht droht bei ehemaligen Sicherungsverwahrten strafrechtliche Verfolgung (§ 145 a StGB), oder wer den Strafrest auf Bewährung ausgesetzt bekam, der/dem droht der Widerruf der Bewährungsaussetzung.

Eine freie Wahl hätten die Betroffenen offenbar nicht, so meine Argumentation.

Ein Fragekatalog sorgt bei der FAB für Unmut

Ferner schickte ich einen Fragekatalog an die FAB/BIOS, da ich über diese Institution recherchierte und gerne deren Haltung zu einigen Punkten in Erfahrung gebracht hätte: warum halten sie diesen Vertrag, so wie sie ihn verwenden, für zulässig, welche Einnahmen aus der Forschung generieren sie unter Verwendung von Daten von Proband*innen, welche Veröffentlichungen hat es gegeben? Die FAB/BIOS reagierten bis dato nicht. Allerdings teilte mir die erwähnte Therapeutin der FAB, noch während der letzten Wochen in der JVA mit, dass die Anfrage für ziemliche Aufregung gesorgt hätte, man bei mir in der Zentrale meine, offenbar viel genauer hinschauen zu müssen, wenn ich solche (dreisten?) Anfragen schon aus der Haft heraus stellen würde.

Der Ausschluss meiner Person von der FAB

Am Tag meiner „Blitzentlassung“, es war der 29.08.2023, gerade war mir die freudige Nachricht der sofortigen Freilassung mitgeteilt worden, kam die Stationspsychologin der SV auf mich zu und meinte ich solle mit ihr ins Büro kommen, sie hätte eine Nachricht für mich: die FAB lasse wissen, die Therapieweisung könne ich nicht wahrnehmen, der Grund seien vermutlich meine Eingaben an Landtag und Petitionsausschuss.

Wenige Tage später erreichte mich dann auch ein Brief der FAB, darin teilte man mir mit, selbst die Vorstellungsweisung werde man nicht umsetzen, man wolle nichts mit mir zu tun haben, ich solle davon Abstand nehmen zu versuchen, der für mich unter Strafandrohung gültige Vorstellungsweisung durch Kontaktaufnahme mit dem Freiburger FAB-Büro, nachzukommen. Aber immerhin, man gab mir die besten Wünsche „für Ihren weiteren Lebensweg“ mit auf den Weg; und der Brief schloss mit den Worten „Ihre Forensische Ambulanz Baden“.

Bewertung

Die Eingaben an den Landtag und den Beauftragten für Datenschutz, das nur der Vollständigkeit halber, waren in einem sachlichen, aber verbindlichen Ton gehalten, auch mit der Psychologin der FAB gab es vorbereitende und sinnvolle Gespräche. Spannenderweise gab sie selbst zu, dass man schon im Kolleg*innenkreise, und das längst bevor ich mit meinen Schreiben aktiv geworden sei, an dem Tonfall des Vertrags hätte Verbesserungen in Angriff nehmen wollen.

Fachlich ist die Entscheidung der Leitung der FAB mindestens als „eigenwillig“ und „speziell“ zu charakterisieren. Wenn sie ihren eigenen Auftrag, und die Aufgabe für die sie vom Land finanziell unterhalten wird, ernst nehmen sollte, fragt man sich, als Betroffener, aber auch Außenstehende tun dies, worin konkret die Rückfallprohylaxe bestehen mag, einem Menschen der nach rund 27 Jahren von heute auf morgen entlassen wird, die therapeutische Begleitung zu entziehen. Wie es dann mit Menschen weitergehen würde, welche nicht in ein so freundliches, enges, solidarisches Umfeld eingebunden sind wie ich selbst, dies sich vorzustellen überlasse ich jeder/jedem selbst.

Thomas Meyer-Falk

https://www.freedomforthomas.wordpress.com

Wie der Wind raschelt und die Eichen fallen: eine Woche Freiheit!

Am 29.08.2023 wurde ich nach fast 27 Jahren Inhaftierung binnen zwei Stunden aus dem Hochsicherheitsbereich der JVA Freiburg entlassen. Wie geht es einem Menschen in einer solchen Situation? Darüber möchte ich nach der ersten Woche berichten.

Der 29.08.2023

Noch um 8 Uhr saß ich im Besuchsbereich der JVA mit der womöglich künftig zuständigen Bewährungshelferin und wir rätselten ob und wenn ja wann eine Entlassung erfolgen würde. Um 14 Uhr war es soweit- ich war entlassen und auf dem Weg zu meiner neuen Wohnmöglichkeit. Ich hätte überschäumen müssen vor Glück, aber im Vordergrund stand die zügige Abwicklung des Umzugs und der ersten Ämtergänge. Schon gegen 15 Uhr stand ich im Job-Center und danach bei der Krankenkasse. Der Abend wurde lang, endete nach Mitternacht. Ich lernte in dem neuen Wohnumfeld Menschen kennen, telefonierte mit Freund*Innen und fing gleich an zu simsen. Die Welt des 21. Jahrhunderts hatte mich in Kürze integriert: denn dank der OG der Roten Hilfe e.V. aus Freiburg lagen Smartphone und Laptop bereit.

Es fühlte sich surreal an, in der Strasßenbahn zu sitzen und zu telefonieren- noch Stunden zuvor hatte ich mit einem Schnurtelefon in einer Zelle gesessen und durfte nur von der JVA genehmigte Nummern anrufen, und die Gespräche konnten überwacht und aufgezeichnet werden, wie es immer vor Anrufen in einem Ansagetext hieß.

Um 20 Uhr saß ich das erste Mal seit 27 Jahren im Kreis von Menschen zusammen die freiwillig zusammenleben, die mich freiwillig bei sich aufgenommen hatten und wohin ich freiwillig gegangen bin. Das fühlte sich genauso surreal, aber richtig gut an.

Die erste Nacht

Das Rauschen der Blätter, das Zirpen der Grillen und das Herabfallen und Aufschlagen der Eicheln auf den Dächern, etwas das die Bewohner*innen hier tagtäglich erleben, war für mich nach 27 Jahren jedes für sich ein Ereignis, die Sterne über mir, der Himmel. Im Gefängnis gibt es selten Bäume, die Sterne werden von den grellen Scheinwerfern der Sicherheitsinfrastruktur überstrahlt, alles muss bis ins letzte erhellt und ausgeleuchtet werden. Die Nacht war kurz, nur rund 2 oder 3 Stunden unruhiger Schlaf.

Die Folgetage

Das hier soll kein Erlebnisbericht von Einzelerlebnissen sein, die für die Leser*innenschaft banal und alltäglich sind. Aber es folgten für mich viele weitere Telefonate, erste schöne persönliche Begegnungen in Freiheit, ganz ohne den sonst so üblichen Sicherheitsapparat einer JVA, Ausflüge auf den örtlichen Schloßberg oder auch dann ins nahegelegene Münstertal. Nebenbei wuchs mir das Smartphone schon fast an die Hand, weil Anrufe kamen, Termine zu koordinieren waren- so dass ich plötzlich in einer Woche mehr in Bewegung war als in der Haftanstalt in mehreren Wochen. Die Telefonate mit Freund*innen taten und tun besonders gut, denn die Reizüberflutung war doch recht ausgeprägt.

Wirkung langer Freiheitsentziehung

Haft allgemein, lange insbesondere wirkt sich auf Seele und Körper nicht nur nachteilig aus, in der Regel brechen und zerbrechen Menschen im Laufe der Zeit. Sich dem zu widersetzen kostet viel Kraft und gelingt mit Hilfe solidarischer Begleitung von außen wesentlich besser. Oft kann schon ein Kontakt in die Welt vor den Mauern einen Menschen die Entschlossenheit geben, die er sonst vielleicht nicht hätte, um durchzuhalten.

Auch die neurologisch-biologische Seite sollte nicht unterschätzt werden: die Gehirne der Menschen gewöhnen sich in Jahren und Jahrzehnten an eine Reizarmut sondersgleichen. Stets die selben Wände, Farben, Wege, Gerüche, Menschen und Geräusche.

Der „Entlassschock“ ist nach Jahrzehnten besonders ausgeprägt, denn soviel hat sich geändert, damit adäquat umzugehen ist eine Herausforderung die ihrerseits an den Kräften zehrt. Es gibt neues Geld (den Euro), neue Technik (Smartphone), auf Ämtern geht mensch heute nicht einfach so vorbei, sondern muss via Internet oder Telefon einen Termin vereinbaren, und vieles mehr.

Nicht wenige scheitern daran. Ich habe das Glück sehr freundlicher und solidarischer Begleitung, in einem Umfang wie es wahrscheinlich nicht viele Ex-Gefangene erleben dürfen.

Die nächsten Wochen und Monate

Es werden weitere Treffen anstehen, Veranstaltungen, irgendwann der Versuch bei Radio Dreyeckland (https://www.rdl.de/) Fuß zu fassen als Praktikant und Bufdi, vielleicht auch mal ein Kino-Besuch, sich tastend in ein Leben hinein leben, das für die tausenden Gefangenen in der BRD und weltweit Millionen oftmals nur ein Traum bleiben wird.

Ich höre weiter das Rauschen der Blätter und das Fallen der Eicheln!

Endlich in Freiheit!

Für eine Welt ohne Käfige und Knäste!

Thomas Meyer-Falk

-Freiburg-

Freiheit nach 27 Jahren!

Was für aufregende erste Stunden und Tage in Freiheit. Nach fast 27 Jahren wurde ich am 29.08.2023 entlassen.

Die Wartezeit auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Nachdem das Landgericht Freiburg am 05.07.2023 in einer mündlichen Anhörung mitteilte, man werde mich entlassen, legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein und nach Eingang der Akten beim OLG Karlsruhe wurden erst Schriftsätze zwischen Anwalt und Staatsanwaltschaft gewechselt.

Es war nervlich einerseits aufreibend, denn es stand die nicht völlig aussichtslose Möglichkeit im Raum, dass das OLG den Fall anders beurteilen würde als die Vorinstanz. Aber auch dank der freundlichen und solidarischen Begleitung von Freund*innen kam ich gut durch die Wochen.

Ja, und andererseits bot die „Wartezeit“ die Möglichkeit Abschied zu nehmen von Mitgefangenen.

Tag der Entscheidung: 29.08.2023-noch in der JVA

Morgens um acht Uhr besuchte mich noch die Bewährungshelferin und wir rätselten wann wohl die Entlassung erfolgen würde. Dann kehrte ich in die Zelle zurück, las Zeitung, als mich gegen 10:30 Uhr der Stationsbeamte „St.“ holte. Ich müsse „zur Frau Dr. Sch.“, der therapeutischen Leiterin der SV. In Begleitung von Herrn „St.“ und des Bereichsdienstleiters „W.“ ging es in ihr Büro, dort lag das Telefax, das wenige Minuten zuvor eingetroffen war. „Jetzt ist es soweit!“ meinte die Leiterin, wir besprachen noch ein paar Minuten die notwendigen Formalitäten und dann verabschiedete sie mich mit guten Wünschen in die Freiheit.

Etwas konspirativ drückte mit der erwähnte Bereichsdienstleiter einen Zettel in die Hand, er habe den Auftrag mir das auszuhändigen: „Wir sind für Sie das! Konex“ ein Blatt des Verfassungsschutzes für Aussteiger*innen. Das fand ich lustig und als ich meinte, das werde ich öffentlich machen kam nur die Antwort, sein Auftrag sei lediglich mir das Blatt zu geben.

In den nächsten rund zwei Stunden räumte ich die Zelle, verabschiedete mich von Mitinsassen und dann wurde ein LKW beladen. Es sammelt sich in 27 Jahren doch manches an. Mit zwei Beamten in Uniform ging es in einem Sprinter ein letztes Mal durch die Gefängnistore.

Tag der Entscheidung: endlich in Freiheit am 29.08.2023

Und so fuhren wir durchs Tor, durch das ich sonst nur als Insasse kam in dem Bewusstsein wieder zurück in die Knastwelt zu müssen. Diesmal aber nicht mehr. Endlich. Jetzt ging es in Freiburg zu den Menschen die mir erstmal die Möglichkeit geben anzukommen in Freiheit. Dort kamen dann gleich einige der künftigen Mitbewohner*innen und halfen beim Transport zu meiner Wohnmöglichkeit. Auch die Beamten luden mit aus- verabschiedeten sich und fuhren zurück in die Welt in die ich nun nicht mehr zurück musste.

Ruhe kehrte nicht ein, denn ich musste noch am Nachmittag zum Job-Center und zur Krankenkasse. Danach stand ein gemeinsames Essen in der neuen Gemeinschaft an und es war bewegend, nach 27 Jahren mit Menschen die sich mich irgendwie „ausgesucht“ und die ich mir „ausgesucht“ habe zusammen an einem Holztisch essend, plaudernd.

Erst kurz nach Mitternacht kam ich ins Bett und schlief auch nicht lang.

Der erste Tag in Freiheit!

Am nächsten Morgen um 7 Uhr fuhr ich erst zur JVA, ja, da musste ich nochmal hin. Denn der „Umzugsservice“ der Anstalt war tatsächlich umfassend, man kümmerte sich um die melderechtliche Ummeldung an die neue Adresse und so konnte ich am Anstaltstor die Ausdrucke der Meldebescheinigung abholen und gleich zum Job-Center, denn dieses leistet erst, wenn diese Bescheinigung vorliegt.

Es gab dann viele Gespräche, Telefonate und Begegnungen.

Das muss sich alles erstmal setzen!

Dank an all die Menschen

Ich danke allen die sich über so viele Jahre solidarisch, freundschaftlich an meine Seite gestellt haben, die den Weg zusammen gegangen sind mit mir. Und ich freue mich jetzt auf ein Leben außerhalb der Mauern, zusammen mit Euch! Das Gefängnis wird Teil meines Lebens und auch der Zukunft bleiben, denn in der Anti-Knastszene werde ich aktiv bleiben, mir aber auch einen Ausgleich in anderen Bereichen suchen, suchen müssen, denn erst mit der Entlassung fiel mir auf, wie „verspannt“ ich dann doch war und immer noch bin. Und ich freue mich schon auf das Zusammenleben mit den Menschen wo ich jetzt wohne! Ein Dank gilt auch Radio Dreyeckland (https://www.rdl.de/) die mir die Möglichkeit geben dort zu hospitieren.

Ausblick

Knäste gibt es immer noch, sie sind Elendsverwahrungsanstalten. Immer mal wieder kommen ja selbst Mitarbeitende von Knästen auf diese Idee und verlassen den Betrieb (z.B. Thomas Galli, ehemaliger Leiter einer JVA, heute Anwalt), aber in der Gesamtgesellschaft ist noch kein Punkt erreicht, dass breit über die Abschaffung auch nur diskutiert würde. Dies gilt es aber zu verändern!

Für eine Welt ohne Knäste und Käfige!

Thomas Meyer-Falk

-nach knapp 27 Jahren Haft endlich in Freiheit-

https://www.freedomforthomas.wordpress.com/

Nach 27 Jahren

Thomas Meyer-Falk ist gestern vormittag entlassen worden.

endlichendlichendlich!

Wieder in eigener Sache: Das Warten geht weiter! OLG hat noch nicht entschieden

Nachdem das Landgericht Freiburg am 12. Juli 2023 meine Entlassung beschlossen und hiergegen die Staatsanwaltschaft Beschwerde erhoben hat, liegen die Akten seit dem 28. Juli dem OLG Karlsruhe vor.

Der weitere Verfahrensgang

In den folgenden zwei Wochen wechselten die Staatsanwaltschaft (StA), die Generalstaatsanwaltschaft (GStA) und mein Verteidiger aus Düsseldorf mehrfach Schriftsätze. Wobei die Begründung von StA und GStA nicht über die immer wiederholte Behauptung hinaus reichte, ich sei deshalb weiterhin gefährlich, weil dies früher Sachverständige behauptet hätten und die gegenteiligen Ergebnisse von Frau Dr. Z. aus dem vergangenen und von Herrn Dr. R. und Frau Diplompsychologin M. aus diesem Jahr deshalb „anzuzweifeln“ seien.

Die objektivste Behörde der Welt: die Staatsanwaltschaft

Man höre und staune: Die StA hatte nicht nur zu meinem Nachteil Beschwerde eingelegt – sie hat dies auch zu meinen Gunsten getan. Das Landgericht hatte im Zuge der Entlassungsentscheidung unter anderem die Auflage erteilt, dass ich monatlich einmal bei der Polizeidirektion Süd in Freiburg vorzusprechen hätte, nämlich bei Koordinator KURS. Letzteres ist ein Akronym und steht für „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualtätern“. Da ich kein Sexualtäter sei, so die StA, handele es sich um eine „gesetzeswidrige Weisung“. Mir sei hingegen die Auflage zu erteilen, mich einmal im Monat beim für meinen künftigen Wohnsitz zuständigen Revier Nord zu melden. KURS sei zwar auch für Ex-Gefangene zuständig, die keine Sexualtäter seien, aber nur dann wenn die elektronische Fußfessel angeordnet worden wäre. Diese sei in meinem Fall aber nicht Gegenstand der gerichtlichen Weisungen.

Am 10. August 2023 hat daraufhin das LG Freiburg seinen eigenen Weisungsbeschluss vom 12. Juli 2023 geändert und die Vorstellungsweisung vollständig gestrichen – ich müsse zu keiner Polizeistation! Das LG folgte der Argumentation der StA: Da ich kein Sexualtäter, und auch die elektronische Fußfessel nicht angezeigt sei, bestehe kein Raum mich zu verpflichten, bei KURS vorstellig zu werden. Mich zu einem anderen Revier zu schicken, so das Gericht weiter, biete allerdings keinen „Mehrwert“ hinsichtlich der Resozialisierung, da ich sowieso monatlich zur Bewährungshelferin und einer Therapeutin gehen müsse. Deshalb sei die entsprechende Weisung ersatzlos zu streichen.

Ausblick

Mein Verteidiger hat mehrfach versucht, das OLG telefonisch zu erreichen, entweder war niemand da, die/der den Anruf entgegennahm, oder es war zumindest die Geschäftsstelle besetzt, aber die Richter*innen waren im homeoffice oder aus sonstigen Gründen nicht anwesend. Es bleibt weiterhin spannend und nicht abschätzbar, wann das OLG über die Frage der Entlassung entscheiden wird. Freund*innen haben letzten Monat einen Solibrief veröffentlicht (https://www.anarchistischefoderation.de/offener-brief-aufforderung-zur-entlassung-des-sicherungsverwahrten-thomas-meyer-falk/) und es ist zu hoffen, dass das OLG nun in überschaubarer Zeit die Beschwerde der StA zurückweisen wird.

Thomas Meyer- Falk, z. Zt. JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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Radiointerview mit Thomas zur aktuellen Situation

Radiointerview mit „Wie viele sind hinter Gittern“ zur aktuellen Situation:

Da die Staatsanwaltschaft Beschwerde gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg eingelegt hat, liegt der Fall beim Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, wo voraussichtlich im August oder September mit einer Endscheidung zu rechnen ist.

https://www.freie-radios.net/123659

Prüfung der Freilassung dauert an

Nachdem die Staatsanwaltschaft in meinem Fall den die Freilassung anordnenden Beschluss des Landgerichts Freiburg angefochten hat, gingen am 28.07.2023 die Akten beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein. Aktuell werden Schriftsätze gewechselt: Mein Anwalt soll bis zum 11.08.2023 ebenso Stellung nehmen wie die mittlerweile zuständige Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe. Ob dann schon kommende Woche eine Entscheidung getroffen wird oder weiterer Schriftverkehr erfolgt, ist noch offen. Für die freundliche solidarische Begleitung danke ich Euch allen vielmals.

Thomas Meyer- Falk, z. Zt. JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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Solidarische Grüße zur Soliwoche für anarchistische Gefangene 2023

Auch hier aus dem in Süddeutschland gelegenen Freiburg solidarische und herzliche Grüße zu der Soliwoche. Seit bald 27 Jahren beobachte ich die Welt hinter Gittern aus der Perspektive des gefangenen Menschen. Erst in Untersuchungshaft, später in Strafhaft und schließlich seit 2013 in Sicherungsverwahrung (SV). Die SV wurde ein Deutschland 1933 eingeführt. Ja, es waren die Nazis, die am 24.11.1933 das Strafrecht entsprechend ergänzten. Seitdem können in Deutschland Menschen auch nach Verbüßen der Freiheitsstrafe auf unabsehbare Zeit in Gefängnissen gehalten werden. In den 1990er und 2000er Jahren zogen auch andere europäische Länder nach, stets im Namen der „öffentlichen Sicherheit“: Belgien, Frankreich, Schweden, Großbritannien, Schweiz und viele Länder mehr.

Dabei erweist sich schon die normale Haft in vielen Fällen als eine Todesstrafe auf Raten: Erst stirbt die Seele und oftmals am Ende auch der Körper. Gerade vor ein paar Wochen hat sich in der Freiburger SV ein erst Anfang-40-jähriger das Leben genommen. Er sah offenbar für sich keine realistische Perspektive, wieder in Freiheit zu gelangen. Frau, Kinder, Adoptivmutter, Geschwister trauern um ihn, aber auch einige der Mitinsassen. Dabei muss jedoch eines klar sein: Auch Gefangenen steht das Recht zu, sich das Leben zu nehmen. Niemand soll es ihnen verbieten dürfen. Aber es ist auch zu fragen, welche Mitverantwortung tragen die staatlichen Institutionen an solch einer Entscheidung? Es wäre zu leicht, diese aus ihrer Verantwortung zu entlassen, indem auf die autonome Entscheidung der jeweiligen Insass:innen verwiesen würde.

Anarchist:innen streiten und kämpfen für den Autonomieanspruch der Individuen, aber immer auch eingebettet in ein soziales Netz. Denn kein Mensch steht jemals für sich alleine, wir alle sind eingewoben in ein Netz sozialer Beziehungen! Niemand ist eine Insel! Wir alle sind Teil des sozialen Miteinanders. Etwas, das verloren zu gehen scheint in der modernen Konsumwelt, wo Menschen nur in scheinbar „sozialen“ elektronischen Welten miteinander interagieren, aber in Wirklichkeit doch vielfach in die Vereinzelung von ihren Smartphones zurückgeworfen werden.

Gefängnisse sind in aller Regel internetfreie Zonen. Mein Beitrag heute findet auch nur deshalb Verbreitung, weil solidarische Menschen ihn abtippen und online verbreiten, auf diese Wiese die Gefangenenperspektive zur kritisierenden Kenntnis einer gewissen Öffentlichkeit bringen. Diese Möglichkeit verweist auf das dann durchaus auch emanzipatorische Potenzial der elektronischen Medien. Wenn nämlich zuvor nicht vernetzte Menschen zueinander Kontakt finden, wenn zuvor Namenlosen, Gesichtslosen und Stimmlosen schlussendlich doch Namen, Gesicht und Stimme gegeben wird.

Das strukturelle Ausgeliefertsein, das das Leben der Gefangenen kennzeichnet, soll in dieser Woche ganz besonders in den Fokus gerückt werden. Die oftmals unmenschlichen, erniedrigenden Haftbedingungen werden skandalisiert. Es wird die Freiheit der Gefangenen gefordert! Immer und immer wieder! Jahr um Jahr! Aber nur wenn diese Forderungen kontinuierlich erhoben und von Generation zu Generation weitergetragen werden, wenn an jene erinnert wird, die in den Gefängnissen leben und auch dort sterben, nur dann werden wir etwas ändern.

Für eine Welt ohne Käfige und Gefängnisse!

Thomas Meyer-Falk

z.Zt. JVA (SV)

Hermann-Herder-Str. 8

D-79104 Freiburg

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In eigener Sache: Staatsanwaltschaft weiter gegen Freilassung


Wie am 13.07.2023 berichtet, hat das Landgericht (LG) Freiburg meine Haftentlassung beschlossen.
Wenig überraschend, hat hiergegen die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt. Sie hält die für mich günstigen Gutachten für nicht überzeugend. Nun geht der Fall zum 2. Strafsenat beim Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe,wo voraussichtlich im August oder September mit einer Endscheidung zu rechnen sein dürfte.


Thomas Meyer- Falk, z. Zt. JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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