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Pressemitteilung zum Düsseldorfer §129b Verfahren

Pressemitteilung zum Düsseldorfer §129b Verfahren
Termin 3.August 12 Uhr am OLG Düsseldorf, Kapellweg 36
Zu Lehrstunden in Sachen Klassenjustiz und institutionalisiertem
Rassismus entwickelt sich das Verfahren nach Paragraph 129b StGB vor dem
2. Strafsenat am OLG Düsseldorf. Verhandelt wird dort seit dem 15.1.2009
gegen Faruk Ereren, der sich nach dem Militärputsch in der Türkei am 12.
September 1980 zum aktiven Widerstand entschloss, deshalb war er dort
langjährig in Haft, wurde gefoltert, unter anderem wurden
Scheinhinrichtungen an ihm vollzogen.
Hier in Deutschland wirft man ihm Mitgliedschaft in führender Position
in der verbotenen Volksbefreiungsfront/partei (DHKP-C) vor. Interessant
in diesem Zusammenhang: Ursprünglich ging das Verbot der Partei von dem
als rechtstreu bekannten Innenminister Kanther (CDU) aus. Am 13. August
1998 hatte Innenminister Kanther(CDU) die Revolutionäre
Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) in Deutschland verboten. Und im
zweiten §129 b Prozess in Stuttgart gab es bereits einige Skandale.
Dort war im Herbst Serdar Bayraktutan, Leiter der Abteilung DHKP-C in
der Istanbuler Antiterroreinheit, nach Stuttgart vorgeladen worden, um
dort seine Erkenntnisse über die Organisation vorzutragen. Die Anwälte
der Angeklagten stellten jedoch fest, daß gegen Bayraktutan ein
Gerichtsverfahren eröffnet wurde. Der Vorwurf: Er soll gefoltert haben.
Daraufhin beendete das Gericht die Vernehmung Bayraktutans, um dessen
Dienststelle zu kontaktieren.
Auch in Düsseldorf läuft nicht alles nach Maß, es gab Übergriffe auf
Prozessbeobachter, türkisches Beweismaterial beruhend auf Folteraussagen
wurde akzeptiert.
Während in Düsseldorf BKA Zeugen vorgeben wichtige Tatsachen nicht zu
kennen, werden türkische Linke als Zeugen vor Gericht genötigt jedes
einzelne Detail, und sei es auch 20 Jahre her, genau dazulegen.
Am letzten Verhandlungstag im Monat Juni brachte dies der Zeuge des BKA
– ein Kriminalhauptkommissar- auf den Punkt: Ein Schwerpunkt der §129 b
Verfahren seien die „Personenbeweise“ aus türkischen Gerichtsurteilen
und diese stützen sich auf „Aussagen des Beschuldigten“ in der Türkei.
In diesem Zusammenhang sprach er wortwörtlich von „so genannten
Missständen in türkischen Gefängnissen“. Der BKA Beamte berücksichtigte
die Tatsache nicht, daß die Türkei regelmäßig wegen ihrer
Informationsgewinnung durch Folter vom Europäischen Gerichtshof
verurteilt wird.
Sich genau erinnern musste allerdings der Zeuge Nuri E. am Vortag. Die
Bundesanwaltschaft wollte detaillierte Angaben welche Bücher und
Broschüren die DHKP-C vor einem Jahrzehnt bei ihren Schulungen einsetzte
– unter anderem wurde der Zeuge Nuri E. auch nach den Herausgebern
befragt. Über eine Stunde lang dauerte die diesbezügliche Befragung
durch den Staatsanwalt der BAW auch nach der“DHKP-C Bibliothek“.
Schwierig für Nuri E. ist in diesem Fall seine Behinderung: Während der
Haft in der Türkei wurde Nuri E. regelmäßig gefoltert, infolge dessen
ist Nuri E. erblindet. Einige Tage später, am 2.Juli, musste Nuri E.
dann bereits zum fünften Mal als Zeuge aussagen. Bei einer für den
Prozess um Faruk Ereren völlig unrelevanten Frage machte er von seinem
Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht selbst der
Strafverfolgung auszusetzen. Des Weiteren wies er drauf hin, dass in den
fünf Prozesstagen nur selten Fragen zum eigentlichen Verfahren kamen.
Doch der Richtersenat drohte nach vorhergegangenem Antrag der
Bundesanwaltschaft, mit einem Ordnungsgeld von 1000 Euro und 1 Monat
Beugehaft, weil man die Rechtmäßigkeit der Aussageverweigerung nicht
anerkannte. Doch dies stieß beim Zeugen verständlicherweise auf
Unverständnis. Er wiederholte seine Bedenken und berief sich erneut auf
sein Recht auf Aussageverweigerung. Nach zwei viertelstündigen
Beratungen des Richtersenats verkündete dieser, dass die Verweigerung
widerrechtlich sei und verhängte 500 Euro Bußgeld und bis zu drei Monate
Beugehaft. Besonders zynisch bemerkte der Vorsitzende Richter des
2.Strafsenates für Nuri E. sei die Beugehaft wohl ein wirksames Mittel
um sich zu besinnen, denn er sei ja erblindet. Nuri E. wurde noch im
Gerichtssaal abgeführt und bleibt vorerst bis zum nächsten
Prozesstermin, der aufgrund einer sog. „Sommerpause“ des OLG erst für
den 3. August angesetzt ist, in Haft.
Der Prozess beginnt: 12 Uhr am OLG Düsseldorf, Kapellweg 36.
Es wird dringend um die Anwesenheit der Presse gebeten, damit
Öffentlichkeit gewährleistet ist!

Die „Geständnisse“ im Stammheimer §129bVerfahren

Am Montag, den 20. Juli 2009 wurde das in Stuttgart-Stammheim laufende
§129b-Verfahren gegen Mustafa Atalay, Ilhan Demirtas, Devrim Güler,
Hasan Subasi und Ahmet Düzgün Yüksel in zwei Prozesse aufgetrennt. Die
öffentlichen Berichte, dass diese Abtrennung auf „Geständnissen“ seitens
der Angeklagten beruhen würde, verschleiern den gesamten Verlauf dieses
politisch hoch brisanten Prozesses, da die Farce und die Brutalität
dieses Verfahrens nicht zum Ausdruck kommen; geschweige denn – bewusst
politisch motiviert oder durch fragwürdig durchgeführte jounalistische
Recherchearbeit – verschwiegen werden.

Zum Hintergrund ist zu sagen:
Seit dem 17. März 2008 läuft das Verfahren gegen die fünf Migranten,
denen auf Basis des 2002 eingeführten §129b die „Mitgliedschaft in einer
ausländischen terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen wird. Vorgeworfen
wird ihnen konkret die Mitgliedschaft in der DHKP-C (Revolutionäre
Volksbefreiungspartei/Front), welche in der Türkei auch bewaffnet für
eine sozialistische Revolution kämpft. Die Anklagepunkte beziehen sich
auf das Sammeln von Spendengeldern, auf die Organisation von Picknicks
und Veranstaltungen, wie auch auf die Organisation von einem
Waffentransport. Basis der Anklage sind neben Akten und Aussagen aus der
Türkei die Aussagen des Hauptbelastungszeugen Hüseyin Hiram. Dieser
arbeitete sowohl für den türkischen Geheimdienst (MIT) als auch für den
deutschen Verfassungsschutz und wurde bereits dafür verurteilt. Darüber
hinaus leidet er unter Schizophrenie, was die Qualität seiner Aussagen
erheblich beeinflusst.

Was ereignete sich aktuell?
Am 20. Juli erfolgte nun die Abtrennung des Prozesses in zwei
§129b-Verfahren. Hintergrund waren die Einlassungen von drei der
Angeklagten: dem herzkranken Mustafa Atalay, Ilhan Demirtas und Hasan
Subasi, die sie auf Basis ausgehandelter Urteile gemacht haben. Devrim
Güler und Ahmet Düzgün Yüksel machten keine Einlassungen, das Verfahren
gegen sie läuft deswegen getrennt weiter.

Wie in einigen Medien lanciert aber wurde, sollen „Geständnisse“ den
Grund für die Abtrennung der Verfahren der drei Angeklagten darstellen.
Entgegengesetzt zu den gebrachten Meldungen belasten die Angeklagten in
den bereits angesprochenen Einlassungen niemanden und distanzieren sich
nicht von der kriminalisierten Organisation.

Der Fall von Mustafa Atalay schildert die Situation und den Beweisstand
des Verfahrens eindrücklich und soll exemplarisch dafür dienen, uns die
Umstände zu verdeutlichen: Mustafa Atalay, der über 15 Jahre in der
Türkei bereits im Gefängnis saß und dort schwer gefoltert worden war,
wurde im November 2006 nur zwei Wochen nach einer schwierigen
Herzoperation aus einer Reha-Klinik heraus verhaftet und befindet sich
seitdem in Einzel-Untersuchungshaft unter Isolationsbedingungen. Durch
seinen angeschlagenen Gesundheitszustand, der bereits vor der Haft
kritisch war und sich während dessen stetig verschlechterte, sowie dem
Umstand geschuldet, dass der Senat sein Leben durch die dreimalige
Ablehnung des Antrags auf Haftunfähigkeit und der fehlenden nötigen
medizinischen Versorgung aufs Spiel setzte und weiterhin setzt, ließ man
ihm – trotz der Tatsache, dass keine Beweise existieren – keine andere
Wahl als die ausgehandelten Bedingungen zu akzeptieren. In seiner
Einlassung bekannte er sich dazu „Sozialist zu sein und das Programm der
DHKP-C zu kennen“ – wie es wohl auch die Generalbundesanwältin
Becker-Klein kennen wird. Dafür soll er nun eine Strafe von fünf Jahren
bekommen.

Ilhan Demirtas soll eine Strafe von dreieinhalb Jahren bekommen und
Hasan Subasi soll mit zwei Jahren und 11 Monaten bestraft werden.
Der Umstand, dass die Angeklagten einen Großteil ihrer Strafe bereits
abgeleistet haben, bedeutet dass Ilhan Demirtas und Hasan Subasi am Tag
der Urteilsverkündung freigelassen werden und dass Mustafa Atalay im
November aus der Haft entlassen wird und die Reststrafe zur Bewährung
ausgesetzt wird.

Zu diesen Absprachen kam es durch die seit Dezember 2008 stattfindenden
Gespräche zwischen Bundesanwaltschaft, Senat und Verteidigung, in denen
eine Abkürzung des Verfahrens erwirkt werden sollte.
Juristisch bedeutet das, dass mit einer Abtrennung der Verfahren, die
eine Beschleunigung des gesamten Verfahrens darstellen, ein wichtiger
Schritt in Richtung der Etablierung des §129b getan ist. Falls das
Urteil dann auch in der Revision bestätigt werden würde, wäre der
Paragraph durch.

Wir bringen an dieser Stelle erneut unseren Protest gegen die deutschen
Anti-Terror-Gesetze §§129, 129a und 129b zum Ausdruck. Politisches
Engagement in Form des Kampfes für soziale Gerechtigkeit und des
Widerstandes gegen imperialistische Kriege, Ausbeuitung und
Unterdrückung sind kein Verbrechen, sondern legitim und notwendig.

Weg mit den §§129!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Komitee gegen §§129
www.no129.info
23.07.2009

Prozessbericht vom Montag, den 20. Juli 2009

Prozessbericht vom Montag, den 20. Juli 2009 – Getrennte Verfahren
Um 11.40 Uhr begann der Prozess. Doch statt der üblicherweise fünf saßen
nur drei Angeklagte auf der Anklagebank – Mustafa Atalay, Ilhan Demirtas
und Hasan Subasi.

Hintergrund dessen ist die forcierte Abtrennung der Verfahren, um das
Verfahren abzukürzen: Seit Dezember fanden mehr oder weniger regelmäßig
Gespräche zwischen Bundesanwaltschaft, Senat und Verteidigung statt, um
sich in irgendeiner Hinsicht zu einigen. Letztlich ließen sich die drei
Angeklagten darauf ein ausgehandelte Einlassungen abzugeben, in denen
sie sich weder distanzieren noch jemand anderen denunzieren. Da sich die
anderen zwei gegen ein solches Abkommen stellten wurde die Abtrennung
der Verfahren beantragt.

Am Dienstag, den 07. Juli (der Tag der Prozessdelegation) sollte die
Entscheidung des Senats hinsichtlich der Abtrennung bekannt gegeben
werden. Jedoch wurde von der Verteidigung von Ahmet D. Yüksel und von
Devrim Güler ein Befangenheitsantrag gestellt, der die Entscheidung
vertagte. Begründet wurde der Befangenheitsantrag damit, dass nicht alle
Anwälte von der Aushandlung der Einlassungen in Kenntnis gesetzt wurden
und nur mit der jeweilig betroffenen Verteidigung kommuniziert wurde. In
diesem Kontext wurde bekannt, dass der Senat bis auf das Komma
vorformulierte Einlassungen an die Verteidigung schickte und den
Angeklagten vorlegen ließ. Die Verteidigung formulierte mit den
Angeklagten Gegenvorschläge und es wurde sich dann nach kurzem Hin und
Her geeinigt.

Eigentlich hätte letzte Woche Dienstag bereits über den
Befangenheitsantrag entschieden werden sollen, jedoch beendete der
Vorsitzende den Prozesstag vor der Entscheidungsverkündung (siehe
Prozessbericht vom 14. Juli 2009). Doch auch am heutigen Montag sollte
nicht über den Befangenheitsantrag entschieden werden – zumindest nicht
öffentlich. Von Beginn an waren nur die drei Angeklagten anwesend und
damit die Abtrennung der Verfahren beschlossene Sachen.

Somit laufen nun zwei Verfahren nach dem §129b in Stuttgart Stammheim:
Der heute stattfindende Prozess gegen Mustafa Atalay, Ilhan Demirtas und
Hasan Subasi, der vermutlich bis August laufen wird, und der morgen
stattfindende Prozess gegen Devrim Güler und Ahmet Düzgün Yüksel, der
erstmal bis September angesetzt ist. Die weiteren Prozesstermine werden
bekannt gegeben.

Wann und ob über den Befangenheitsantrag entschieden wurde ist noch
unklar. Die Abtrennung der Verfahren ist jedoch beschlossene Sache.

Zum Inhalt des heutigen Prozesstages:
Es wurden seitens des Senats Dokumente des BKAs und des Niederländischen
Forensischen Institutes (NFI) verlesen. Die Dokumente des BKAs befassten
sich mit dem versuchten Anschlag auf den ehemaligen türkische
Justizminister (Samieh Türk) und dem Ergenekon Prozess in der Türkei und
dem darin fallenden Sabanci-Anschlag. Die Dokumente des NFI befassten
sich mit den in den Niederlanden gefundenen Dateien und über die Art der
Verschlüsselung, sowie deren Entschlüsselung seitens des NFI. Dem NFI
war es nur deswegen möglich die über 13000 Dateien (nur knapp 150
Dateien konnte das NFI nicht entschlüsseln), die mit Key-Safe
verschlüsselt waren, zu entschlüsseln, da das Passwort kurz (10 Zeichen)
und nur aus Buchstaben bestand. Zwar waren in den einzelnen
verschlüsselten Dateien weitere verschlüsselte Dateien, die aber alle
mit demselben Passwort gesichert waren…

Wir wollen diese Gelegenheit nutzen, um auf sichere
Verschlüsselungsarten aufmerksam zu machen und verweisen auf die
Anleitungen der Rosa Antifa Wien (http://raw.at/compsec/index.htm) und
der Bunten Hilfe Stuttgart (http://bunte-hilfe.fasthoster.de/pc/pc_1.html)

Nach der Mittagspause ging es weiter mit der Analyse der Übersetzung
einiger Telefongespräche und Mitteilungen. Der sachverständige
Übersetzer glich die deutschen Übersetzungen mit den türkischen
Gesprächen/Mitteilungen ab und gab dazu seine Analyse ab.

Der nächste Prozesstag, dieses Prozesses findet am Donnerstag, den 30
Juli statt.

Prozess gegen Devrim Güler und Ahmet Düzgün Yüksel:
Dienstag, 28.07.2009 || 8.30 Uhr
Dienstag, 04.08.2009 || 8.30 Uhr
Freitag, 07.08.2009 || 9.30 Uhr
Montag, 17.08.2009 || 9.30 Uhr
Sommerpause
Montag, 14.09.2009 || 9.30 Uhr
Dienstag, 15.09.2009 || 8.30 Uhr