In eigener Sache: Ausführung im Mai 2023

Nachdem ich im April 2023 in Rahmen einer Ausführung vor die Freiburger Gefängsnismauern durfte, bekam ich im Mai eine weitere Möglichkeit.

Die JVA Freiburg gewährt mir seit März 2023 monatlich eine Ausführung. Laut Justizministerium sei dies eine ausreichende Möglichkeit um sich nach rund 27 Jahren Haft auf das Leben in Freiheit vorzubereiten.

Aktuell sitze ich in einem Internet-Café in Freiburgs Innenstadt, begleitet von der für die Wohngruppe zuständigen Sozialarbeiterin und von einem Bediensteten des AVD( Allgemeiner Vollzugsdienst). Es ist ein erbaulich sonniger Frühsommertag. Nachdem ich im Bürgerbüro der Stadt einen neuen Personalausweis beantragt hatte, ging es über die in Freiburg recht bekannte „Blaue Brücke“ in Richtung Internet-Cafè.

Später kann ich noch in einem Supermarkt einkaufen, bevor ich dann erneut in die Haftanstalt zurückkehren muss. Für Juni 2023 sind dann zwei weitere Ausführungen geplant: zum einen werde ich mit dem Leiter der Abteilung Sicherungsverwahrung die Bewährungshilfe aufsuchen und in einer zweiten Ausführung soll ich mir dann die Wohnmöglichkeit die mir freundlicherweise über Freund*innen angeboten wurde anschauen.

Ob am Schluss wirklich die Freilassung stehen wird ist noch offen, aktuell läuft die Untersuchung durch die vom Landgericht Freiburg beauftragten Sachverständigen noch. Eine Entscheidung ist für Anfang Juli 2023 angedacht.

Thomas Meyer-Falk

z.Zt. JVA Freiburg

Hermann-Herder-Str. 8

D-79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

Ausbruch (Radio Dreyeckland) am 2. Sonntag im Monat

Thomas sprach letzten Sonntag mit Wolfgang Lettow von der Zeitschrift Gefangenen Info) über „Gefangenenunterstützung“.

https://www.freie-radios.net/122044

https://rdl.de/beitrag/thomas-meyer-falk-spricht-0

Leserbrief von Thomas Meyer-Falk im „Neuen Deutschland“ vom 26.4.2023 zum Prozess gegen die 4 Antifaschist:innen in Dresden

Massive Einschüchterung
Zu »Lina-E.-Prozess«, Tagesthema 20.4., S. 2

Die meisten Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129 Strafgesetzbuch (kriminelle Vereinigung), die gegen Linke geführt werden, enden mit der Einstellung, also ohne Anklage; der einschüchternde Effekt ist aber groß.
Oft jahrelange Bespitzelung (Abhören des Telefons, Mitlesen der Post und Mails), Observation und vieles mehr. Auch im Zuge des Verfahrens gegen Lina E. Gibt es breitflächige Struktur ermittlungen. Umso wichtiger er scheint mir das Zusammenstehen: Sich nicht einschüchtern lassen – trotz alledem!

Thomas Meyer-Falk, zzt. JVA Freiburg

Podcast: Zur aktuellen Situation von Thomas von „Wie viele sind hinter Gittern“ bei Radio Flora

Seit Oktober 1996 befindet sich Thomas in Haft und seit Sommer 2013 nunmehr in Sicherungsverwahrung (SV).
Jetzt gibt es eine erfreuliche Entwicklung bei ihm:
Gericht erwägt zweites Gutachten wegen Prüfung der Haftentlassung.
Weiterhin befürwortet die Haftanstalt Vollzugslockerungen für ihn.
Dazu ein telefonisches Gespräch mit Thomas aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Freiburg.

Adresse:
Thomas Meyer-Falk
Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de

https://www.freie-radios.net/121706

Susan Boos: „Auge um Auge – Die Grenzen des präventiven Strafens“

Eine Buchbesprechung über die Sicherungsverwahrung in der Schweiz

von Thomas-Meyer Falk

https://rotpunktverlag.ch/buecher/auge-um-auge

Die ehemalige Redaktionsleiterin der Schweizer Wochenzeitung WOZ, Susan
Boos, veröffentlichte im vergangenen Jahr ein sehr lesenswertes Buch
über die Schweizer Variante der sogenannten Sicherungsverwahrung (SV und
in der Schweiz bloß „Verwahrung“ genannt).

Boos steigt tief hinab in die Kanalisation des Schweizer Straf- und
Justizsystems, dort wo selten ein Lichtstrahl hingelangt, geht es doch
vielfach um Menschen, die sich in besonders schwerwiegender und
verwerflicher Weise gemeinschaftszerstörend verhalten haben.

So macht uns die Autorin schon auf den ersten der rund 250 Seiten mit
Peter Vogt bekannt, einem seit 25 Jahren verwahrten Insassen, der sein
Recht auf assistierten Suizid durchsetzen möchte: Vogt hat Mädchen und
Frauen gewürgt und vergewaltigt! Auf Seite 13 begegnet uns Beat Meier,
ein pädokrimineller Straftäter, der über ein Vierteljahrhundert
inhaftiert ist. Boos schildert nüchtern und sachlich die jeweiligen
strafrechtlichen Hintergründe, wie auch Ausschnitte der Biografien der
Verwahrten. Sie berichtet, wie sie als Journalistin von Verwahrten
angerufen wurde, ihr Unterlagen zugeschickt wurden und sie sich
zunehmend für diesen Bereich des Strafrechts zu interessieren begann.

Im 3. Kapitel, ab Seite 23, referiert die Autorin ausführlich einen der
wohl spektakulärsten Mordfälle der letzten Jahrzehnte, als nämlich 1993
der schon wegen mehrfachen Mordes an Frauen einsitzende Hauert bei einem
Ausgang aus der Haftanstalt, er war auf dem Weg zu seinem Therapeuten,
eine 20-jährige Pfadfinderführerin entführte, ihr sexualisierte Gewalt
antat und dann ermordete. In Folge diese Verbrechens und einer weiteren
Tat, kam es zu einer Gesetzesinitiative, die schließlich in einem
eigenen Artikel der Bundesverfassung mündete und seitdem die
„lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche
Sexual- und Gewaltstraftäter“ vorschreibt.

Alle Verwahrten, gleich ob sie wegen schwerer oder vielfach auch
wesentlich weniger schweren Taten in die Anstalt gelangt sind, stehen
vor dem gleichen Dilemma: solange ihnen eine ungünstige Sozialprognose
attestiert wird, erfolgt keine Freilassung. Aber selbst wenn es dann mal
Therapeut*innen oder Gutachter*innen gibt, die sich optimistischer
äußern, günstige Veränderungsprozesse diagnostizieren, treffen diese auf
erhebliche Widerstände im Justizsystem. Es wird solange nach
Schwachpunkten gesucht, bis doch eine Fortdauer der Inhaftierung möglich
ist; nicht nur die Untergebrachten resignieren irgendwann, sondern
mitunter auch Beschäftigte, die dann lieber ihren Job kündigen, als
weiter mit dem Strom zu schwimmen. Auch hierüber informiert das Buch
„Auge um Augeerse“.

Den Gegenpol zu der Perspektive bilden die Gespräche der Journalistin
mit Vertretern des Justizapparates: allen voran mit dem weit über die
Schweizer Grenzen hinaus bekannte Psychiater Frank Urbaniok, ehemals
Leiter des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes des Kantons Zürich. Er
kritisiert die Diagnosehörigkeit der forensischen Psychiatrie, wo
verschiedene Psychiater*innen bei Begutachtungen ein und desselben
Falles oftmals zu ganz unterschiedlichen Diagnosen kämen. Diesen stellt
er das aus seiner Sicht wesentlich hilfreichere und sicherere
„forensisch operationalisierte Therapie-Risiko-Evaluationssystem“ (kurz:
Fortres) gegenüber. Er hat es selbst entwickelt und es basiert auf einer
detaillierten Auswertung der Taten und Akten, umfasst dutzende von
Items, welche unterschiedlich gewichtet werden. Eine Form von
Daten-Fetischismus, um nicht zu sagen Totalitarismus, die auch in der
Fachwelt nicht ohne Widerspruch blieb.

In einem Interview mit dem Berner Strafrechtsprofessor Martino Mora
lotet Boos die Grenzen des „Präventionsstrafrechts“ aus. Was meint
„Präventionsstrafrecht“? Strafen sollen, so die Theorie, begangenes
Unrecht sühnen, sind also repressiv und vergangenheitsbezogen. Mona
macht geltend, dass schon seit Jahrtausenden der Präventionsgedanke
maßgeblich sei für Strafen. Professor Mona fordert einerseits ein
deutliches Vergeltungsstrafrecht, einschließlich der weitestgehenden
Abschaffung der Bewährungsstrafen, andererseits ist er ein lautstarker
Kritiker des vorbeugenden Wegsperrens von Menschen und antwortet auf die
Feststellung, man könne doch nicht alle (aus der Verwahrung) rauslassen:
„Doch, lasst sie raus – nachdem sie ihre verdiente und angemessene
Strafe abgesessen haben!“ Hier dürfte sich Mona vermutlich einig sein
mit der Dortmunder Professorin Dr. Graebsch (von dieser gibt es zur
Deutschen SV einen hörenswerten Vortrag als Podcast auf
https://www.rdl.de/beitrag/wegsperren-und-zwar-f-r-immer), welche
ebenfalls auf die letztlich nicht leistbare zuverlässige
Vorhersagbarkeit künftigen strafbaren Verhaltens und die
menschenrechtlich prekäre Lage von Sicherungsverwahrten hinweist.

Wohin das Präventivrecht führt, konnte man vergangenes Jahr in München
sehen, wo Aktivist*innen der „Letzten Generation“ für Wochen in Haft
verschwanden, um, so die staatliche Erzählung, zu verhindern, dass sie
sich an Straßen ankleben und so den Verkehr behindern.

Die Autorin besuchte im Zuge ihrer Recherchen in Deutschland einen
mittlerweile pensionierten Bewährungshelfer, der zuvor Jahre in
Freiburg (Breisgau) im Strafvollzug tätig war: Peter Asprion. Aktuell
sitzen in der BRD rund 600 Menschen in der SV, darunter zwei Frauen.
Peter Asprion zieht im Gespräch mit Susan Boos ein vernichtendes Fazit
hinsichtlich der SV. Da er ein Gespräch mit einem seiner ehemaligen
Klienten vermittelt, erfahren wir im Anschluss im Kapitel „Herr Roser
lädt ein“ von einem ehemaligen Verwahrten, der 26 Jahre einsaß (davon
22 in der SV), wie er nach seiner Freilassung 2010 für drei Jahre Tag
und Nacht von fünf Polizeibediensteten bewacht wurde, wie sich das
anfühlte und er dennoch -oder trotzdem- es schaffte sich in die
Gesellschaft zu integrieren.

Von Süddeutschland geht es nach Niedersachsen. Dort besucht die  Autorin
die Abteilung SV in Rosdorf, spricht mit Personal und Insassen, um
anschließend nach Berlin weiterzureisen, wo sie mit einem der
bekanntesten forensischen Psychiater, Prof. Dr. Kröber zum Gespräch
verabredet ist; und auch er betont, wie unsicher die scheinbar so
eindeutigen Gefährlichkeitsprognosen sind und man letztlich kaum
zuverlässig einen Rückfall vorhersagen könne, weshalb er dem oben
erwähnten Konzept seines Schweizer Kollegen Urbaniok nicht viel
abgewinnen könne.

Boos führt uns weiter in die Niederlande, in das Psychiatriegefängnis in
Zeeland wo 90 Männer und drei Frauen dauerhaft verwahrt werden und
berichtet wie dort die Bewohnenden untergebracht sind: nachts zwar
weggeschlossen in ihren Zellen, aber tagsüber auf einem von einem
Sicherheitszaun umgebenen Gelände, auf dem sie und auch Besuchende sich
frei bewegen können. Von Zeeland geht es weiter nach Stein in
Österreich. Im Jahr 2020 lebten von 8600 Häftlingen in Österreich über
1.400 in der Verwahrung (hier sei auf das Buch
„Maßnahmenvollzug: Menschenrechte weggesperrt und zwangsbehandelt“,
herausgegeben von Markus Drechsler, erschienen 2016 im österreichischen
Mandelbaum Verlag, hingewiesen, welches sich ausführlich der
spezifischen Situation dort widmet). Wie menschenrechtlich bedenklich
die Unterbringungsbedingungen für Verwahrte in Österreich sind, wird von
ihm sorgfältig herausgearbeitet.

Bei allen Gemeinsamkeiten, insbesondere was die Fragilität der
Sozialprognosen und die immer häufigere Anordnung von Verwahrung
anbetrifft, treten auch die Unterschiede zwischen Schweiz, Österreich,
Niederlande und Deutschland deutlich hervor. Denn wo in Deutschland
manche Angeklagte nach ihrem Urteil in der forensischen Psychiatrie
landen (aktuell sind das rund 6.000 Menschen), endet in anderen Ländern
das Leben in psychiatrischen Abteilungen regulärer Strafanstalten, mit dem
entsprechend strengen Strafvollzugsregime. Wo in Deutschland und der
Schweiz Anwält*innen vom Staat bezahlt und den Betroffenen beigeordnet
werden für deren gerichtlichen Prüfverfahren über die Fortdauer der
Verwahrung, müssen die Anwält*innen in Österreich kostenlos arbeiten,
die erhalten keinerlei Vergütung!

Besonders spannend finde ich, wenn langjährige Justizmitarbeitende wie
Thomas Manhart, ehemals Oberstaatsanwalt und „Chef Justizvollzug“, am
Ende ihrer Laufbahn ein im Grunde desaströses Fazit ihrer eigenen Arbeit
ziehen (Seite 111-118), eigentlich für eine Veränderung des Status quo
plädieren, aber augenscheinlich nicht den Mut und die Entschlossenheit
aufbringen, für diese offensiv(er) einzutreten. Letztlich hat er
Jahrzehnte einem System gedient, in dem er Karriere gemacht hat, ohne
darin, nun am Abschluss seiner Laufbahn, einen wirklichen Sinn zu
erkennen. Nicht jeder macht es so wie der langjährige, in Bayern und
Sachsen tätige Gefängnisdirektor Thomas Galli und hängt seinen sicheren
Beamtenjob vor dem Rentenalter an den Nagel, um sich für die Abschaffung
von Gefängnissen auszusprechen.

Wichtig erscheint mir, dass Susan Boos nicht mit Details über die
Vorgeschichte der Protagonisten spart. Es sitzen Menschen in den
Gefängnissen, die oftmals Schreckliches getan haben. Damit vermeidet Boos
jede Form von Sozialromantik. Wie umgehen auch mit diesen Menschen? Denn
Gesellschaften, welche die Todesstrafe abgeschafft haben, müssen sich
fragen lassen, ob ein lebenslanger Ausschluss von Menschen aus der
Gemeinschaft letztlich nichts anderes ist als „eine Todesstrafe auf
Raten“. Und sie müssen sich der Frage stellen, wo dieses immer
exzessivere, ja obsessiv anmutende vorbeugende Wegsperren von Menschen
enden soll!

Im Anhang des Buches finden sich ab S. 224 wichtige
Detailinformationen zu den „beliebtesten (forensischen)
Prognoseinstrumenten“ ebenso wie ein historischer Rückblick in das 19.
Jahrhundert und die „Vordenker der heutigen Verwahrung“. Sehr hilfreich
finde ich selbst die Übersicht der Gesetzestexte ab S. 242, wo die
strafrechtlichen Grundlagen über die Verwahrung in Deutschland, aber
auch Österreich und selbstredend auch der Schweiz, im Wortlaut zitiert
werden.

Susan Boos kommt in ihrem Buch nach 222 Seiten zu dem Resümee, man müsse
ernsthaft über Vergeltung sprechen, anstatt der Prävention alles zu
opfern. Die Grenzen und die schier unendliche Mängelliste, was die
Verwahrung angeht, arbeitet sie auf sehr anschauliche Weise heraus.
Dennoch handelt es sich bei ihrem Buch nicht um ein Plädoyer zur
Abschaffung von Gefängnissen als solche, wofür aber beispielsweise der
von ihr besuchte Peter Asprion plädiert, sondern um eines, welche die
Auswüchse des Präventionsstrafrechts anklagt und für eine Berichtigung
dieser Mängel streitet.

Wer sich über die dunkelsten Winkel des Präventionsstrafrechts und dessen zahlreichen Schwächen informieren möchte, bekommt bei Susan Boos einen aktuellen
und fundierten Einblick!


Bibliografische Angaben

Autorin: Susan Boos
Titel: Auge um Auge – Die Grenzen des präventiven Strafens

ISBN: 978-3-85869-944-2

Verlag: Rotpunktverlag (Schweiz), Preis: 25 Euro


Rezensent:

Thomas Meyer-Falk
z.Zt. JVA (SV)
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Ein/Aus-Gesperrt: eine Ausstellung mit Lesungen in München

In München findet am 04. Mai 2023 ab 19 Uhr in der Schrenkstrasse 8 (U4/U5 Schwanthalerhöhe) eine Vernissage statt mit Fotografien und Erzählungen von Menschen vor, während und nach ihrer Haftstrafe.

Dazu gibt es eine Ausstellung vom 05. – 13. Mai 2023 (Sa/So 10 – 19 Uhr, Mi – Fr von 14-21 Uhr). Der Eintritt ist frei!

Ergänzt und eingerahmt wird die Ausstellung durch einen Vortrag mit Lesung von Dr. Thomas Galli am 5. Mai 2023 ab 18 Uhr, dem ehemaligen Gefängnisleiter aus Sachsen und Bayern. Er liest aus seinem Buch: „Weggesperrt: Warum Gefängnisse niemandem nützen“. Anschließend findet ein Konzert mit Pinkhair Cloutgang, Blushy AM und Carel Binks statt.

Und am 12. Mai 2023 ab 19 Uhr wird der SZ-Journalist Ronen Steinke aus seinem Buch lesen „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“. Auch hier ist der Eintritt frei!

Verantwortet wird die Ausstellung von der Münchner Fotografin Juliane Haerendel.

Wer einen Einblick in die Welt hinter Gefängnismauern bekommen möchte, bekommt hier in Bild und Wort die Möglichkeit. Menschen, die in der existenziellen Peripherie leben und doch auch wahrgenommen werden wollen.


Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV)
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In eigener Sache: Weitere Spaziergänge – es bleibt spannend!

Wie vor einigen Wochen berichtet, sieht auch die JVA Freiburg die Möglichkeit einer Freilassung meiner Person im Sommer. Deshalb erhalte ich seit März monatlich eine Ausführung. Zuvor waren diese nur alle drei Monate möglich. Zudem sind sie nicht mehr von zwei Vollzugsbeamten bewacht, sondern einer geht mit und wird ergänzt von einer/einem Mitarbeiter/in des Sozialdienstes oder des psychologischen Dienstes. Beim Justizministerium hat die Anstalt zudem beantragt, auf eine Bewachung durch den Vollzugsbeamten ganz zu verzichten.

Ausflug am 30. März 2023

An einem etwas verhangenem Donnerstag ging es mit Amtsinspektor L. und Oberpsychologierätin W. per S-Bahn von Freiburg nach Riegel/am Kaiserstuhl, denn dort lebte ich von meinem 10. – 18. Lebensjahr und wollte mal schauen, was sich so verändert hat. Das Tagesticket schenkte mir ein Freiburger Freund und obwohl ich es nicht vor Fahrtantritt entwertet hatte (erstmals seit 1996 stand ich an einem Bahngleis und fand keinen Automaten vor, die beiden Bediensteten der Anstalt wussten auch nicht weiter), formal also mit einem ungültigen Ticket die Bahn betrat, war die Kontrolleurin, nachdem ich sie darauf hinwies, es sei meine erste Fahrt seit Jahrzehnten und die beiden Personen dort – dabei zeigte ich auf Frau W. und Herrn L. – würden mich als Gefängnisbedienstete bewachen, so freundlich, es zu entwerten und mich/uns aufzuklären, wo die kleinen roten Entwerterkästchen stünden – nämlich nicht in der Bahn, sondern überall an den Bahnhöfen.

Der Spaziergang durch den Ort gestaltete sich als entspannt, sehr angetan war ich von den vielen Störchen (mindestens 10 Nester auf der Kirche). Im örtlichen Café Rösch kehrten wir ein und während wir dort saßen, ging ein ordentlicher Schauer nieder.

Zuletzt ging ich noch im (für mich neuen) Gewerbegebiet in einen Supermarkt, bevor ich nach Freiburg zurück fahren musste.

Die Unterhaltung mit der Psychologin und dem Vollzugsbeamten verlief recht entspannt, was sich so dann auch im Ausführungsbericht der Anstalt wiederfand – wie auch die Episode mit der Fahrkarte am Anfang! Nichts bleibt unprotokolliert beim Staat.

Ausführung am 12. April 2023

Freiburg bietet in der Regel überdurchschnittlich viel Sonnenschein, aber auch an diesem Tag sollte es wieder recht bewölkt und teilweise regnerisch sein. Diesmal begleitete mich „erster Amtsinspektor“ W. und der Leiter der Abteilung Sicherungsverwahrung Herr G.
Der erste Weg führte zur Anlauf- und Beratungsstelle für Strafentlassene (https://www.bezirksverein-freiburg.de), wo ein Gesprächstermin vereinbart war, um – für den Fall der Entlassung im Sommer – eine mögliche Beratungsstelle kennen zu lernen. Der Sozialarbeiter Herr S. und sein Studi-Praktikant nahmen sich am Ende fast eine Stunde Zeit, um das Angebot des Vereins vorzustellen und uns auch das Haus zu zeigen, mit Café-Räumlichkeiten, WLAN, Billardtisch und eben die vielen Freizeitangebote zu erläutern.

Im Anschluss an diesen Gesprächstermin ging es in die Innenstadt zum Mittagessen in das Dachrestaurant eines Kaufhauses, wo wir dann rund eine Stunde zubrachten (währenddessen ging ein ordentlicher Regenschauer nieder). Abschließend ging es noch in einen REWE-Supermarkt und, wie es fast schon Tradition ist, zu einem türkischen Lebensmittelhändler unweit der Haftanstalt.

Zu dem SV-Leiter meinte ich, er könne ja richtig Humor entwickeln, denn es gab nicht wenig zu lachen während der rund fünf Stunden.

Ausblick

Letztlich hängt der weitere Fortgang von den beiden GutachterInnen des Zentrums für Psychiatrie (Emmendingen) ab, die das Landgericht beauftragt hat, sich erneut über den Fall zu beugen. Warum erzähle ich relativ ausführlich von den beiden Ausführungen? Im Grunde sind es ja banale Aktivitäten: Spazieren gehen, einkaufen, Mittag essen. Aber wenn mensch Jahrzehnte in Haft zugebracht hat, ist im Grunde erstmal nichts was außerhalb der Mauern geschieht, „banal“.
Zugleich erlebe ich jedoch keinen Zivilisationsschock, denn es gab ja früher ein Leben vor der Haft und wenn man freundlich auf Menschen, ob auf der Straße, im Aufzug, in der S-Bahn, im Laden zugeht, kommt nach wie vor in der Regel eine ebenso freundliche Reaktion.


Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV)
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Unterstützung von Gefangenen in Notsituationen

Hier der neue Beitrag von Thomas bei „Ausbruch – die Antirepressionswelle“ von Radio Dreyeckland

https://rdl.de/beitrag/ausbruch-vom-26032023

Neues Sendeformat mit Thomas – Gespräch mit Thomas Walter

Neues Sendeformat mit Thomas.
Jeden 2. Sonntag im Monat um 21Uhr auf Radio Dreyeckland.
Gespräche über dies und das mit Gästen.

In der ersten Folge war als Gesprächspartner Thomas Walter eingeladen. Thomas Walter lebt derzeit in Venezuela, nach dem er mit Freunden in den 80er untergetaucht war. Mehr Infos zu Thomas Walter und Das K.O.M.I.T.E.E. hier: https://www.ende-aus.net/

Thema der Sendung war Ausbrechen.
Warum ausbrechen?
Mit wem ausbrechen?
Wohin ausbrechen?

https://www.freie-radios.net/120915

Haftanstalt befürwortet Vollzugslockerungen für Thomas Meyer-Falk

Wie vor wenigen Wochen berichtet, verlief die gerichtliche Anhörung am 15.02.2023 zur Frage meiner Haftentlassung aus der Sicherungsverwahrung nicht so glatt wie von manchen erhofft. Das Landgericht Freiburg beabsichtigt die Beauftragung eines neuen Gutachtens, da jenes der Münchner Sachverständigen das Gericht nicht überzeugte.

Bis zur Vorlage des neuen Gutachtens werden Monate ins Land gehen, weshalb die Haftanstalt in Freiburg am 06.März 2023 darüber beraten hat, ob nicht zumindest Vollzugslockerungen gewährt werden könnten. Seit zehn Jahren erhalte ich lediglich von Gefängnisbeamten bewachte Ausführungen und davon auch nur vier pro Jahr! Im Rahmen einer Vollzugsplankonferenz (VPK) wurde mir nun vom Leiter der SV-Abteilung, Herrn G.mitgeteilt, man werde seitens der Anstalt beim Justizministerium Baden-Württemberg sogenannte „Begleitausgänge“ beantragen, so dass ich gemeinsam mit der Sozialarbeiterin oder der Stationspsychologin zwei Mal im Monat die Anstalt für ein paar Stunden verlassen dürfte, ohne dass Wachpersonal dabei wäre.

Die Vollzugsplankonferenz

Das Gespräch im Rahmen der VPK, an der neben Herrn G. auch die Anstaltspsychologin Frau W. und die Sozialarbeiterin Frau S. sowie Herr C., als Vertreter des uniformierten Dienstes teilnahmen, wurde darüber gesprochen, dass eine Freilassung im Sommer nicht gänzlich unwahrscheinlich sei. Zugleich äußerten Herr G. und Frau W. Kritik an meinen Beiträgen u.a. auf meinen Internetblog, wo ich sehr deutlich Kritik am Vollzugssystem äußern würde, wohingegen ich doch zu differenzierterer Betrachtung durchaus in der Lage sei. So hätte ich am 15.02.2023 vor Gericht, auf die Frage des Vorsitzenden, wie ich den Kontakt zur Psychologin Frau W. empfände, neben kritischen Gedanken auch positive Aspekte darstellen können. Man wünsche sich, dass dies auch in der „Außendarstellung“ im Internet erfolge. Worauf ich erwiderte, dass zum einen die konkrete einzelne (beruflich bedingte) Beziehung zwischen Insassen und Personal in der Tat differenziert zu betrachten sei, zum anderen ich aber nicht der Pressesprecher der Anstalt sei und in einer generellen Vollzugskritik bestimmte Aspekte eben keinen Eingang in die Darstellung fänden.

Der Leiter der SV-Abteilung, Herr G. merkte noch an, dass nach Ansicht der Anstalt ich keines „betreuten Wohnens“ bedürfe und zudem in einer wesentlich günstigeren Lage sei als andere Insassen, denen nämlich jegliches soziale Netz in Freiheit fehle. Letztlich hänge der weitere Verlauf aber an dem neuen Gutachten, welches das Landgericht Mitte März beauftragen wird.

Ausblick

Bis das Justizministerium über den Antrag der JVA auf Begleitausgänge entscheiden wird, soll ich zumindest monatlich eine Ausführung erhalten, die erste sei schon im April denkbar, so Herr G.

Es werden weitere spannende Wochen und Monate. Eine in Freiburg angefragte Sachverständige erklärte sich prinzipiell bereit einen gerichtlichen Auftrag zu übernehmen und deutete an, noch vor dem 07.07.2023 (der sogenannte „10-Jahreszeitpunkt“ der SV) ein Gutachten vorlegen zu können.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),

Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

http://www.freedom-for-thomas.de