Archiv der Kategorie: Strafvollzug

In eigener Sache: Ausführung im Mai 2023

Nachdem ich im April 2023 in Rahmen einer Ausführung vor die Freiburger Gefängsnismauern durfte, bekam ich im Mai eine weitere Möglichkeit.

Die JVA Freiburg gewährt mir seit März 2023 monatlich eine Ausführung. Laut Justizministerium sei dies eine ausreichende Möglichkeit um sich nach rund 27 Jahren Haft auf das Leben in Freiheit vorzubereiten.

Aktuell sitze ich in einem Internet-Café in Freiburgs Innenstadt, begleitet von der für die Wohngruppe zuständigen Sozialarbeiterin und von einem Bediensteten des AVD( Allgemeiner Vollzugsdienst). Es ist ein erbaulich sonniger Frühsommertag. Nachdem ich im Bürgerbüro der Stadt einen neuen Personalausweis beantragt hatte, ging es über die in Freiburg recht bekannte „Blaue Brücke“ in Richtung Internet-Cafè.

Später kann ich noch in einem Supermarkt einkaufen, bevor ich dann erneut in die Haftanstalt zurückkehren muss. Für Juni 2023 sind dann zwei weitere Ausführungen geplant: zum einen werde ich mit dem Leiter der Abteilung Sicherungsverwahrung die Bewährungshilfe aufsuchen und in einer zweiten Ausführung soll ich mir dann die Wohnmöglichkeit die mir freundlicherweise über Freund*innen angeboten wurde anschauen.

Ob am Schluss wirklich die Freilassung stehen wird ist noch offen, aktuell läuft die Untersuchung durch die vom Landgericht Freiburg beauftragten Sachverständigen noch. Eine Entscheidung ist für Anfang Juli 2023 angedacht.

Thomas Meyer-Falk

z.Zt. JVA Freiburg

Hermann-Herder-Str. 8

D-79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

Ausbruch (Radio Dreyeckland) am 2. Sonntag im Monat

Thomas sprach letzten Sonntag mit Wolfgang Lettow von der Zeitschrift Gefangenen Info) über „Gefangenenunterstützung“.

https://www.freie-radios.net/122044

https://rdl.de/beitrag/thomas-meyer-falk-spricht-0

Podcast: Zur aktuellen Situation von Thomas von „Wie viele sind hinter Gittern“ bei Radio Flora

Seit Oktober 1996 befindet sich Thomas in Haft und seit Sommer 2013 nunmehr in Sicherungsverwahrung (SV).
Jetzt gibt es eine erfreuliche Entwicklung bei ihm:
Gericht erwägt zweites Gutachten wegen Prüfung der Haftentlassung.
Weiterhin befürwortet die Haftanstalt Vollzugslockerungen für ihn.
Dazu ein telefonisches Gespräch mit Thomas aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Freiburg.

Adresse:
Thomas Meyer-Falk
Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de

https://www.freie-radios.net/121706

Ein/Aus-Gesperrt: eine Ausstellung mit Lesungen in München

In München findet am 04. Mai 2023 ab 19 Uhr in der Schrenkstrasse 8 (U4/U5 Schwanthalerhöhe) eine Vernissage statt mit Fotografien und Erzählungen von Menschen vor, während und nach ihrer Haftstrafe.

Dazu gibt es eine Ausstellung vom 05. – 13. Mai 2023 (Sa/So 10 – 19 Uhr, Mi – Fr von 14-21 Uhr). Der Eintritt ist frei!

Ergänzt und eingerahmt wird die Ausstellung durch einen Vortrag mit Lesung von Dr. Thomas Galli am 5. Mai 2023 ab 18 Uhr, dem ehemaligen Gefängnisleiter aus Sachsen und Bayern. Er liest aus seinem Buch: „Weggesperrt: Warum Gefängnisse niemandem nützen“. Anschließend findet ein Konzert mit Pinkhair Cloutgang, Blushy AM und Carel Binks statt.

Und am 12. Mai 2023 ab 19 Uhr wird der SZ-Journalist Ronen Steinke aus seinem Buch lesen „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“. Auch hier ist der Eintritt frei!

Verantwortet wird die Ausstellung von der Münchner Fotografin Juliane Haerendel.

Wer einen Einblick in die Welt hinter Gefängnismauern bekommen möchte, bekommt hier in Bild und Wort die Möglichkeit. Menschen, die in der existenziellen Peripherie leben und doch auch wahrgenommen werden wollen.


Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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In eigener Sache: Weitere Spaziergänge – es bleibt spannend!

Wie vor einigen Wochen berichtet, sieht auch die JVA Freiburg die Möglichkeit einer Freilassung meiner Person im Sommer. Deshalb erhalte ich seit März monatlich eine Ausführung. Zuvor waren diese nur alle drei Monate möglich. Zudem sind sie nicht mehr von zwei Vollzugsbeamten bewacht, sondern einer geht mit und wird ergänzt von einer/einem Mitarbeiter/in des Sozialdienstes oder des psychologischen Dienstes. Beim Justizministerium hat die Anstalt zudem beantragt, auf eine Bewachung durch den Vollzugsbeamten ganz zu verzichten.

Ausflug am 30. März 2023

An einem etwas verhangenem Donnerstag ging es mit Amtsinspektor L. und Oberpsychologierätin W. per S-Bahn von Freiburg nach Riegel/am Kaiserstuhl, denn dort lebte ich von meinem 10. – 18. Lebensjahr und wollte mal schauen, was sich so verändert hat. Das Tagesticket schenkte mir ein Freiburger Freund und obwohl ich es nicht vor Fahrtantritt entwertet hatte (erstmals seit 1996 stand ich an einem Bahngleis und fand keinen Automaten vor, die beiden Bediensteten der Anstalt wussten auch nicht weiter), formal also mit einem ungültigen Ticket die Bahn betrat, war die Kontrolleurin, nachdem ich sie darauf hinwies, es sei meine erste Fahrt seit Jahrzehnten und die beiden Personen dort – dabei zeigte ich auf Frau W. und Herrn L. – würden mich als Gefängnisbedienstete bewachen, so freundlich, es zu entwerten und mich/uns aufzuklären, wo die kleinen roten Entwerterkästchen stünden – nämlich nicht in der Bahn, sondern überall an den Bahnhöfen.

Der Spaziergang durch den Ort gestaltete sich als entspannt, sehr angetan war ich von den vielen Störchen (mindestens 10 Nester auf der Kirche). Im örtlichen Café Rösch kehrten wir ein und während wir dort saßen, ging ein ordentlicher Schauer nieder.

Zuletzt ging ich noch im (für mich neuen) Gewerbegebiet in einen Supermarkt, bevor ich nach Freiburg zurück fahren musste.

Die Unterhaltung mit der Psychologin und dem Vollzugsbeamten verlief recht entspannt, was sich so dann auch im Ausführungsbericht der Anstalt wiederfand – wie auch die Episode mit der Fahrkarte am Anfang! Nichts bleibt unprotokolliert beim Staat.

Ausführung am 12. April 2023

Freiburg bietet in der Regel überdurchschnittlich viel Sonnenschein, aber auch an diesem Tag sollte es wieder recht bewölkt und teilweise regnerisch sein. Diesmal begleitete mich „erster Amtsinspektor“ W. und der Leiter der Abteilung Sicherungsverwahrung Herr G.
Der erste Weg führte zur Anlauf- und Beratungsstelle für Strafentlassene (https://www.bezirksverein-freiburg.de), wo ein Gesprächstermin vereinbart war, um – für den Fall der Entlassung im Sommer – eine mögliche Beratungsstelle kennen zu lernen. Der Sozialarbeiter Herr S. und sein Studi-Praktikant nahmen sich am Ende fast eine Stunde Zeit, um das Angebot des Vereins vorzustellen und uns auch das Haus zu zeigen, mit Café-Räumlichkeiten, WLAN, Billardtisch und eben die vielen Freizeitangebote zu erläutern.

Im Anschluss an diesen Gesprächstermin ging es in die Innenstadt zum Mittagessen in das Dachrestaurant eines Kaufhauses, wo wir dann rund eine Stunde zubrachten (währenddessen ging ein ordentlicher Regenschauer nieder). Abschließend ging es noch in einen REWE-Supermarkt und, wie es fast schon Tradition ist, zu einem türkischen Lebensmittelhändler unweit der Haftanstalt.

Zu dem SV-Leiter meinte ich, er könne ja richtig Humor entwickeln, denn es gab nicht wenig zu lachen während der rund fünf Stunden.

Ausblick

Letztlich hängt der weitere Fortgang von den beiden GutachterInnen des Zentrums für Psychiatrie (Emmendingen) ab, die das Landgericht beauftragt hat, sich erneut über den Fall zu beugen. Warum erzähle ich relativ ausführlich von den beiden Ausführungen? Im Grunde sind es ja banale Aktivitäten: Spazieren gehen, einkaufen, Mittag essen. Aber wenn mensch Jahrzehnte in Haft zugebracht hat, ist im Grunde erstmal nichts was außerhalb der Mauern geschieht, „banal“.
Zugleich erlebe ich jedoch keinen Zivilisationsschock, denn es gab ja früher ein Leben vor der Haft und wenn man freundlich auf Menschen, ob auf der Straße, im Aufzug, in der S-Bahn, im Laden zugeht, kommt nach wie vor in der Regel eine ebenso freundliche Reaktion.


Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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Haftanstalt befürwortet Vollzugslockerungen für Thomas Meyer-Falk

Wie vor wenigen Wochen berichtet, verlief die gerichtliche Anhörung am 15.02.2023 zur Frage meiner Haftentlassung aus der Sicherungsverwahrung nicht so glatt wie von manchen erhofft. Das Landgericht Freiburg beabsichtigt die Beauftragung eines neuen Gutachtens, da jenes der Münchner Sachverständigen das Gericht nicht überzeugte.

Bis zur Vorlage des neuen Gutachtens werden Monate ins Land gehen, weshalb die Haftanstalt in Freiburg am 06.März 2023 darüber beraten hat, ob nicht zumindest Vollzugslockerungen gewährt werden könnten. Seit zehn Jahren erhalte ich lediglich von Gefängnisbeamten bewachte Ausführungen und davon auch nur vier pro Jahr! Im Rahmen einer Vollzugsplankonferenz (VPK) wurde mir nun vom Leiter der SV-Abteilung, Herrn G.mitgeteilt, man werde seitens der Anstalt beim Justizministerium Baden-Württemberg sogenannte „Begleitausgänge“ beantragen, so dass ich gemeinsam mit der Sozialarbeiterin oder der Stationspsychologin zwei Mal im Monat die Anstalt für ein paar Stunden verlassen dürfte, ohne dass Wachpersonal dabei wäre.

Die Vollzugsplankonferenz

Das Gespräch im Rahmen der VPK, an der neben Herrn G. auch die Anstaltspsychologin Frau W. und die Sozialarbeiterin Frau S. sowie Herr C., als Vertreter des uniformierten Dienstes teilnahmen, wurde darüber gesprochen, dass eine Freilassung im Sommer nicht gänzlich unwahrscheinlich sei. Zugleich äußerten Herr G. und Frau W. Kritik an meinen Beiträgen u.a. auf meinen Internetblog, wo ich sehr deutlich Kritik am Vollzugssystem äußern würde, wohingegen ich doch zu differenzierterer Betrachtung durchaus in der Lage sei. So hätte ich am 15.02.2023 vor Gericht, auf die Frage des Vorsitzenden, wie ich den Kontakt zur Psychologin Frau W. empfände, neben kritischen Gedanken auch positive Aspekte darstellen können. Man wünsche sich, dass dies auch in der „Außendarstellung“ im Internet erfolge. Worauf ich erwiderte, dass zum einen die konkrete einzelne (beruflich bedingte) Beziehung zwischen Insassen und Personal in der Tat differenziert zu betrachten sei, zum anderen ich aber nicht der Pressesprecher der Anstalt sei und in einer generellen Vollzugskritik bestimmte Aspekte eben keinen Eingang in die Darstellung fänden.

Der Leiter der SV-Abteilung, Herr G. merkte noch an, dass nach Ansicht der Anstalt ich keines „betreuten Wohnens“ bedürfe und zudem in einer wesentlich günstigeren Lage sei als andere Insassen, denen nämlich jegliches soziale Netz in Freiheit fehle. Letztlich hänge der weitere Verlauf aber an dem neuen Gutachten, welches das Landgericht Mitte März beauftragen wird.

Ausblick

Bis das Justizministerium über den Antrag der JVA auf Begleitausgänge entscheiden wird, soll ich zumindest monatlich eine Ausführung erhalten, die erste sei schon im April denkbar, so Herr G.

Es werden weitere spannende Wochen und Monate. Eine in Freiburg angefragte Sachverständige erklärte sich prinzipiell bereit einen gerichtlichen Auftrag zu übernehmen und deutete an, noch vor dem 07.07.2023 (der sogenannte „10-Jahreszeitpunkt“ der SV) ein Gutachten vorlegen zu können.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),

Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

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Update: Current Situation of Thomas Meyer-Falk (Germany)

I have been an anarchist for decades and I was arrested in October 1996 after a bank robbery, no one was killed or heavily injured. But since that time the state has kept me in prison. On 8th July 2013 I was deported to the ‚Preventative Detention‘ (PD) Unit in the south west of Germany. The PD is something like the IPP in the UK, but PD became law in 1933 by the Nazis and allows the state to keep someone in prison after finishing their sentence, as long as the inmate is supposed to be a threat to public safety. I was judged as a threat to public safety because at the end of the 90’s and beginning of the 2000’s I was agitating strongly against judges and politicians. So I was convicted to more than 5 years punishment. For the bank robbery the court sentenced me to prison for 11 ½ years. The regular sentence ended on 7th July 2013.

Back to the present time: In 2022 a psychiatrist expert from Munich. In her 130 page report the expert came to the conclusion that I would be no threat. In November 2022 a psychologist from the prison and the public prosecutor sent their statements to the court and criticised the expert’s report really hard. But the psychiatrist replied on 17 pages and refuted their arguments.

But the local court in Freiburg, under the presidency of the honourable judge Kronthaler, dissented from the expert’s view. After a two hour hearing on the 15th February 2023 the court informed the parties and gave an order for another expert.

The expert from Munich has been testifying for courts for more than 40 years! But she’s more open minded than her conservative colleagues. For her it wasn’t relevant that I never distanced myself from my past nor my biography and political attitudes.

Friends offered me a place where I could live in town and a local radio station (https://rdl.de/) admitted me into the editorial office. They also offered practical training after my release. Until this takes place I get the possibility to be part of their program by phone, because here at the PD unit we have a phone in the cells. So every month I am on the air. A program called AUSBRUCH (escape/breakout) in which we talk about prisoner’s situations and developments.

The fact that there aren’t any troubles since more than two decades seems not enough for the court, the prison’s administration and the prosecutor. Especially the prison’s psychologist criticized that I had never withdrawn my attitudes. So she and her colleagues were afraid that I would maybe take revenge on judges or politicians. It leaves me in a catch-22.

Anyway, I think an upright attitude is more important than falling on your knees!

Thomas Mayer-Falk
c/o JVA (SV),
Hermann-Herder-Str. 8,
79104 Freiburg,
Germany

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In eigener Sache: Gericht erwägt zweites Gutachten wegen Prüfung der Haftentlassung!

Seit Oktober 1996 sitze ich in Haft und seit Sommer 2013 nunmehr in Sicherungsverwahrung. Mitte Februar 2023 stand die Prüfung der Frage an, ob ich spätestens im Juli dieses Jahres entlassen werde. Dem Landgericht genügte die ausführliche Expertise einer renommierten Münchner Gutachterin und Psychiaterin nicht, so dass erwogen wird ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben.

Anordnung einer mündlichen Anhörung vor dem Landgericht Freiburg

Am 15.02,2023 fand eine nicht-öffentliche Anhörung der 12.Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg, unter Vorsitz des Richters Kronthaler statt. Für Punkt 12 Uhr waren geladen: mein Rechtsanwalt aus Düsseldorf, Vertreter*innen der JVA, für diese erschienen der Leiter der SV-Abteilung, Herr G. und die Stationspsychologin Frau W. Aus München per Video zugeschaltet war die Psychiaterin und Gutachterin. Zudem war auch ich selbst im Gerichtssaal.

Nachdem die Münchner Psychiaterin, die seit immerhin 41 Jahren solche Gutachten erstellt, vor einigen Monaten in einem 130-Seiten umfassenden Gutachten zu dem Schluss kam, von mir seien keine rechtlich erheblichen Taten zu erwarten, schon gar nicht bestünde die hohe Gefahr der Begehung schwerster Gewalttaten, stellte sich nun die Frage ob ich freigelassen werden würde. Die Gutachterin war im Vorfeld von Haftanstalt und Staatsanwaltschaft schriftlich hart angegangen worden. Das umfangreiche Gutachten sei widersprüchlich, weise zahlreiche Leerstellen auf und es wäre damit letztlich ungeeignet, hierauf eine Freilassung zu stützen. Die Staatsanwaltschaft stellte sogar in den Raum, die Gutachterin habe einseitig zu meinen Gunsten gegutachtet. In einem 17-seitigen Schriftsatz setzte sich im Dezember 2022 die Psychiaterin ausführlich mit den Einwänden der Justiz auseinander und riet in Richtung der Haftanstalt, diese müsse auch mal lernen (mich) „loszulassen“. Nun kam es in der mündlichen Anhörung zu einem Aufeinandertreffen der Vertreter*innen der Haftanstalt und der Münchner Gutachterin.

Verlauf der mündlichen Anhörung

Das Landgericht in Gestalt des Vorsitzenden und seine beiden Beisitzenden nahmen sich rund zwei Stunden Zeit. Die erste Stunde war die Sachverständige aus München per Internet zugeschaltet und sie wurde ausführlich vom Vorsitzenden, der selbst mit hörbar bayrischem Akzent sprach, befragt. Schlussendlich meinte der Vorsitzende jedoch, das Gutachten sei zu widersprüchlich, die Gutachterin zudem „umstritten“, zudem mokierte er sich darüber, dass die Gutachterin 17.000 Euro in Rechnung gestellt hatte. Er und die Kammer würden zudem dazu tendieren, ein weiteres Gutachten zu beauftragen. Ich selbst wurde sodann rund 30 Minuten befragt und stellte dar wie ich mir mein Leben in Freiheit vorstelle. Und so gingen die Argumente hin und her, auch mein Verteidiger warf seine Argumente in den Ring.

Ergebnis der Anhörung

Da Gericht, Staatsanwaltschaft und auch die Haftanstalt (wenig überraschend) nicht mit dem für mich sehr günstigen Gutachtenergebnis, bzw. dessen Herleitung und Begründung übereinstimmten, wird wohl ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben werden. Dieses soll sich, so es tatsächlich dazu kommt, dann speziell zu der Frage äußern, ob im Falle einer Entlassung am 07.07.2023 (zum 10-Jahreszeitpunkt:für diesen Zeitpunkt sieht das Strafrecht eine ganz besonders sorgfältige Prüfung vor) mit hoher Gefahr weitere schwerste Gewalttaten zu erwarten seien. Dies hatte die Münchner Gutachterin eindeutig verneint, aber nicht auf eine Weise, dass das Gericht damit zufrieden war.

Ausblick

Das hier beschriebene Prozedere ist nicht untypisch für den Bereich der Sicherungsverwahrung, bzw. den Straf- und Maßregelvollzug insgesamt. Während eindeutig „negative“ Gutachten, die also eine hohen Gefahr weiterer Straffälligkeit behaupten, in seltensten Fällen von Gerichten, Haftanstalten oder Staatsanwaltschaften in Frage gestellt werden, widerfährt bei für Insass*innen günstigen Gutachten oftmals das Gegenteil. Mit großem justiziellen Engagement wird nach (vermeintlichen) Lücken gesucht, um das günstige Ergebnis aushebeln zu können.

In meinem Fall stehen mir nun weitere Monate des Wartens bevor, in welchen zudem von Seiten der Haftanstalt kaum mit vollzugsöffnenden Maßnahmen zu rechnen ist, denn für diese ist die Entlassfrage offen. Ein/e Sachverständig/e wird mich in den nächsten Wochen oder Monaten in der JVA aufsuchen, wenn das Gericht den Auftrag erteilen sollte, anschließend das schriftliche Gutachten erarbeiten und dem Gericht vorlegen. Erst dann wird es eine weitere mündliche Anhörung geben. Je nach Ausgang dieser Anhörung steht dann der Staatsanwaltschaft, aber auch mir, die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde zum Oberlandesgericht offen, was weitere Wochen des Wartens bedeuten wird.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV),

Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

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Vortrag zur Sicherungsverwahrung in Freiburg

Am 10.02.2023 fand in Freiburg im „Haus der Jugend“ eine Veranstaltung von Rote Hilfe e.V. und AKJ zum Thema Sicherungsverwahrung statt. Die Referentin, Professorin Dr. Graebsch aus Dortmund referierte ungefähr eine halbe Stunde, daran schlossen sich ein Gespräch mit der Moderatorin und eine Fragerunde an. Radio Dreyeckland aus Freiburg zeichnete die Veranstaltung auf, sodass diese unter www.rdl.de/beitrag/wegsperren-und-zwar-f-r-immer nachgehört werden kann.

Wer nicht nur an einer fachlich fundierten Analyse und Kritik der Sicherungsverwahrung interessiert ist, sondern auch an einem Ausblick was die „Pre-Crime“-Entwicklung (bis hinein in das Aufenthaltsrecht für Migrant*innen) angeht, erhält hier einen aktuellen Einblick. Da die Referentin zugleich auch Rechtsanwältin ist und bundesweit Betroffene vertritt, ergibt sich auch eine praxisnahe Darstellung.

Aus Sicht der Betroffenen bleibt nur noch an dieser Stelle der Referentin, ebenso der Moderatorin wie den Veranstalter*innen zu danken für diese engagierte Veranstaltung, die gezeigt hat, dass die Klagen und Beschwerden aus den Reihen der Inhaftierten einen realen Hintergrund haben und kein Ausdruck einer überzogenen Empfindlichkeit sind.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),

Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg

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neuer Radiobeitrag bei RDL

hier der aktuelle RDL Beitrag von Thomas

https://rdl.de/beitrag/wie-k-nnen-wir-kontakt-kommen-und-ihn-halten