Gefangenenzeitung lichtblick berichtet über Internet im Berliner Vollzug

Vor einigen Wochen erschien die neue Ausgabe der Berliner Gefangenenzeitung lichtblick. In ihrer ersten Ausgabe nach der im August 2022 erfolgten Razzia in den Redaktionsräumen in der JVA Tegel, berichten sie neben anderen vollzuglichen Themen auch über das „Haftraummediensystem“ (HaMSy) welches sukzessive im Berliner Justizvollzug eingeführt wird.

 HaMSy- was ist das?

Gefängnisse sind (noch) weitestgehend internetfreie Räume, allerdings dürfen Gefangene bundesweit zumindest Telefongespräche führen. Immer mehr Haftanstalten gehen dazu über, in den Hafträumen Telefone installieren zu lassen, wobei durch eine umfassende Sicherheitsinfrastruktur die Anstalten jederzeit die Kontrolle darüber haben wer wann und mit wem telefoniert. Zudem können die Gespräche jederzeit überwacht und aufgezeichnet werden.

 HaMSy geht einen Schritt weiter: in einem (aus Gründen der „Anstaltssicherheit“ durchsichtigen) Gehäuse wird ein mit berührungsempfindlichem Display versehener Monitor in den Zellen aufgestellt, der neben der Nutzung als Radio und TV auch Telefonie ermöglicht. Ferner können damit Videotelefonate geführt werden. Ausserdem soll das Antragswesen innerhalb der Anstalt digitalisiert werden, so dass künftig keine gesonderten schriftlichen Anträge abzugeben sein werden, sondern Formulare nur noch am Monitor ausgefüllt werden. Auch ein paar elektronische Spiele werden (kostenpflichtig) angeboten.

Was kostet das alles?

Wie der lichtblick (https://www.lichtblick-redaktion.de/aktuelle-ausgabe), unter Berufung auf eine Kleine Anfrage eines CDU-Abgeordnete berichtet, kostet die Nutzung des Geräts für jene die fernsehen wollen 13,95 € im Monat. Die Nutzung der e-mail Funktion weitere 1,96 €. Eine Tastatur und Maus muss mensch selbst kaufen, wofür einmalig 49,90 € anfallen, für den Kopfhörer stattliche 80 €. Für Telefonate werden zwischen zwei und drei Cent in der Minute aufgerufen. Wer spielen möchte, hat einen Euro im Monat pro Spiel zu zahlen, im Angebot sind neben „Backgammon“ auch „Minesweeper“ und sinnigerweise „Angry Bird“.

Das Land Berlin nimmt rund 3 Millionen Euro in die Hand um die Hafträume in den verschiedenen Haftanstalten technisch entsprechend aufzurüsten (in der Antwort des Senats zur Kleinen Anfrage des CDU-Abgeordneten können die Details nachgelesen werden: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-14245.pdf).

Kritik des lichtblick

Kritisch thematisiert wird der Umstand, dass durch die Verpflichtende Ausstattung der Zellen mit HaMSy die entsprechenden privaten Geräte aus den Zellen entnommen werden, wogegen, so der lichtblick, auch schon gerichtliche Klagen anhängig seien. Die Rundumüberwachung wird ebenfalls kritisiert, denn die Anstalt hat Zugriff auf alle gespeicherten Daten der Insass*innen. Die Kostenfrage wird auch nicht übersehen, dann 20 Cent für eine Minute Videotelefonie ist, erst recht wenn man die Finanzlage der Inass*innen bedenkt, nicht gerade günstig.

Positive Aspekte laut lichtblick

Immer wieder berichten Insass*innen davon, dass von ihnen gestellte Anträge im Dschungel der Bürokratie verloren gingen. Das ist würde nun in Zukunft wohl weniger werden, denn eine (vorsätzliche oder fahrlässige) Löschung würde elektronische Spuren nach sich ziehen. In einer kostenlosen Basisvariante, so der lichtblick, würde es zudem einen Zugang auf die Onlinebücherei der Zentral- und Landesbibliotheken geben, dies sei zu begrüßen.

Ausblick

Die Digitalisierung macht auch vor den Gefängnissen nicht halt, auch wenn die Umsetzung dort dann mit erheblichen zeitlichen und technischen Verzögerungen ankommt. Dass die Umstellung auf digitale Verwaltungsprozesse Menschen zurückzulassen droht gilt für Gefängnisse um so mehr, denn dort begegnen wir besonders vielen Menschen die mit dem Lesen und Schreiben Schwierigkeiten haben und dann noch eine Scheu vor elektronischen Geräte mitbringen. Dass die auf Totalüberwachung ausgerichtete Infrastruktur hochproblematisch ist, versteht sich von selbst. Die bei Einführung der panoptischen Bauweise von Gefängnissen gewollte totale Kontrolle der gefangenen Körper (immer noch sehr instruktiv hierzu Foucault, „Überwachen und Strafen“), ausgeführt von den Uniformierten, wird nun partiell ausgelagert an eine elektronische Überwachung, die jedoch, da sie sich auf die gedanklichen Inhalte erstreckt, sogar tiefer und weiter geht, als in der Anfangszeit der Gefängnisse.

https://www.freedomforthomas.wordpress.com

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