Monatsarchiv: Mai 2021

Radiointerview zu Sicherheitsverwahrung aus der Sicherheitsverwahrung

Interview mit Radio Dreyeckland, Sendereihe: Ausbruch – Die Antirepressionswelle vom 24.05.2021,

Zum einen mit einem monatlichen Update zur Situation in der JVA Freiburg und diesen Mai zum 10 jährigen Sicherungsverwahrungsurteil

https://rdl.de/beitrag/aus-der-sicherungsverwahrung-ber-die-sicherungsverwahrung

NS-Zwangsarbeit in Freiburg- eine Rezension

Vor wenigen Tagen wurde im südbadischen Freiburg, in Erinnerung an die NS-Zwangsarbeiter*innen auf dem Freiburger Grethergelände ein Mahnmal enthüllt.

Begleitet wurde das ganze von einer von der Historikerin Maxilene Schneider erarbeiteten Untersuchung zum Einsatz von Zwangsarbeiter’innen auf dem Gelände der ,,Freiburger Maschinenfabrik GmbH“.

Nach einem einführenden Überblick über die Funktion und Ausgestaltung der Zwangsarbeit im NS-Staat, widmet sich Schneider speziell der Lebenslage der mindestens 60 Zwangsarbeiter*innen, welche in der genannten Fabrik schuften mussten. Das Firmenarchiv gelte bis heute als „unauffindbar“ (S. 8), weshalb Schneider anhand anderer Akten, u.a. des Stadtarchivs, eine Rekonstruktion unternimmt. Sie zeigt auf, unter welch existenziell gefährdenden Lebensbedingungen die Betroffenen ihr Dasein fristeten, jederzeit von Verhaftung und Ermordung bedroht. Wie sie entrechtet, ausgebeutet und drangsaliert wurden.

Die Lebens- und Leidensgeschichten werden ganz besonders dort nachfühlbar, wo Schneider anhand der Beispiele der in den Niederlande geborenen Zwangsarbeiter Jakobus Rovers und des in Polen geborenen Roman Kowalczak Lebensgeschichten aufblättert, den nackten Zahlen ein Gesicht gibt. Ersterer wurde schlussendlich vom Freiburger Sondergericht am 28.01.1944 „als Volksschädling“ zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt (S. 23), da ihm vorgeworfen wurde versucht zu haben einer Frau eine Börse versucht zu haben zu stehlen. Rovers wurde verhaftet und am 24. November 1944 im KZ Neuengamme ermordet, wohl auf Weisung von Himmler, da er beschuldigt wurde, mit einer in Freiburg lebenden Frau ein Kind gezeugt zu haben (S. 26).

Wenn die Situation der Zwangsarbeit in der NS-Zeit lediglich anhand von Zahlen dargestellt und vermittelt wird, verbleibt eine viel zu große Distanz zu den einzelnen Menschen die gelebt und gelitten haben, die überlebten- oder aber ermordet wurden.

Schneider macht zudem deutlich, und macht dies auch durch Abbildungen aus Akten und Haftbüchern nachvollziehbar, mit welch zwanghafter bürokratischen Akkuratesse die Nationalsozialisten ihr Terrorregime auch im Bereich der Zwangsarbeit zur Durchsetzung brachten.

Die rund 40 Seiten bieten einen sehr kleinen, aber genauen Einblick in eine einzige Fabrik welche Zwangsarbeiter*innen rekrutiert hatte. So wie viele hunderte andere Fabriken gleichermaßen, deren historische Aufarbeitung noch heute auf sich warten lasst, auch um den damals geschundenen Menschen eine Stimme und ein Gesicht zu geben!

Bibliografische Angaben:

Maxilene Schneider, „NS-Zwangsarbeiter*innen auf dem Freiburger Grethergelände-Ausschnitt eines öffentlichen Massenverbrechens“

Verlag: jos fritz, https://www.josfritz.de
Seiten: 40
Preis: 8€
ISBN: 978-3-928013-91-8

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

Erster Todesfall 2021 in Freiburger Sicherungsverwahrung

Am 07.Mai 2021 wurden den Insassen der Abt. Sicherungsverwahrung (SV) per Aushang mitgeteilt, dass K. nunmehr verstorben sei. Er wurde 78 Jahre alt.

K. hatte Jahrzehnte im Strafvollzug und in der Sicherungsverwahrung zugebracht. Da er handwerklich im Holzbereich richtig etwas auf dem Kasten hatte, war er gerne gesehener Mitarbeiter der Anstaltsschreinerei. Zudem bekam er immer wieder die Chance sich in Freiheit zu bewähren, nur um dann ebenso regelmäßig zurück in Haft und Sicherungsverwahrung zu kommen. Er wirkte trotz seiner bald 80 Jahre bis zuletzt sehr rüstig. Vor kurzem wurde jedoch Krebs diagnostiziert und die eingeleitete Chemotherapie hatte keinen durchschlagenden Erfolg.

Exkurs: Stationspsychologin W.

Immer wieder beklagte K. im Haftalltag Konflikte mit seiner zuständigen Gefängnispsychologin Frau Psychologierätin W. und war besorgt, die Anstalt setze auf „die biologische Lösung“, sprich seinen Tod.

Dieser Vorwurf kam auch gleich wieder auf, nachdem die Todesnachricht von K. die Runde machte. Einige Insassen gingen die Namen ihrer Klienten von Frau W. durch, welche aus der SV entlassen, welche auf andere Stationen oder die in andere Haftanstalten verlegt wurden oder welche starben. Die überschlägige Bilanz fiel aus Insassensicht ernüchternd aus. Mehr Insassen haben händeringend die Verlegung auf andere Stationen oder gleich in andere Gefängnisse beantragt und durchgesetzt, als von ihr bis zur Haftentlassung begleitet zu werden. Selbst was die Bilanz was Todesfälle einerseits und Entlassungen andererseits betrifft, scheint es ein Ungleichgewicht zu geben. Immer öfters fragen sich Insassen, wann dies auch mal anderen Stellen auffällt und begonnen wird, die Verantwortung nicht immer nur bei den angeblich so schwer gestörten Insassen zu suchen!

Es handelt sich um jene Psychologin Frau W., die auch schon mal einen Insassen anriet, er könne sich ja in der Zelle aufhängen wenn ihm das nicht passe. Eine, wie sie es später bezeichnete, „paradoxe Intervention“, eine therapeutische Technik, welche hoch anerkannt sei. Geknickt war auch ein anderer ihrer inhaftierten Klienten, der sich um zwei Stationsbewohner kümmert, mit ihnen eine Kochgemeinschaft gründete und versucht positiven Einfluss auszuüben. Die uniformierten Bediensteten nehmen das auch wahr, aber in einer Stellungsnahme der Psychologierätin an das Gericht wurde aus dem tatkräftigen Einsatz des Insassen nur noch ein: „nach Angaben des Untergebrachten“, so als würde er sich dessen rühmen und vielleicht stimme es gar nicht, da die Aussage schließlich nur auf „seinen Angaben“ beruhe, statt auf den Beobachtungen des Personals. Aber das ist die mitunter etwas spitze Art von W.

Ausblick

Einen Gedenkgottesdienst habe der Verstorbene K. ausdrücklich abgelehnt, so die Anstalt in ihrem Aushang. Wer sich dennoch im Gedenken versammeln wolle, dürfe sich gerne an die Gefängnisseelsorge wenden, so das ‚Leitungsteam‘ der SV abschließend.

Jetzt wird erstmal in Kürze die Zelle von K. geräumt werden, danach von einem als Desinfektor tätigen Insassen desinfiziert und danach ist Platz für den nächsten Klienten von Frau W.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),

Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

Radiointerview zu Soliarbeit mit/für Gefangene

Hier das Radiointerview mit Thomas Im Rahmen der Ausbruch-Sondersendung von Radio Dreyeckland zu dem §129 a/b über Soliarbeit mit und für Gefagene.

Welche Formen gibt es da und wie kann eine inklusive Soliarbeit mit den Gefagenen aussehen?

https://rdl.de/beitrag/tmf-129

Neues aus der JVA

In der in Südbaden gelegenen JVA Freiburg soll im Mai die Erstimpfung gegen den Corona-Virus erfolgen (1.), zudem hat das Landgericht Freiburg das Urteil im sogenannten „Rattengift-Prozess“ gesprochen (2.).

1. Impfungen

Nachdem lang unklar blieb wann hier in Freiburgs Haftanstalt die Impfungen beginnen würden, ließ der Anstaltsleiter Völkel per Aushang mitteilen, dass am 12.Mai 2021 die Erstimpfung erfolge, sowie am 23.Juni 2021 die Zweitimpfung, voraussichtlich mit dem Impfstoff Biontech.

Bis zum 27.April mussten alle Insassen, immerhin über 500, den Anamnesebogen ausfüllen und konnten Kenntnis nehmen von den obligatorischen Aufklärungsblättern. Auf konkrete Anfrage, so ließ sich einem Aushang entnehmen, würde über den Sozialdienst auch fremdsprachige Information bereitgestellt.

Ob dieses Vorgehen den Grundsätzen der „informierten Zustimmung“ entspricht, ist aus Insassensicht noch ungeklärt, denn zum einen muss man bis zum 27.April im Aufklärungsbogen angeben ob man gegenwärtig an einer fiebrigen Erkältung leidet, was eigentlich wenig Sinn macht, wenn erst am 12.Mai die Impfung erfolgen soll. Zum anderen enthalten die bereitgestellten Informationsblätter teilweise ellenlange Sätze, in einem Fall zählte ich 63 Wörter in einem einzigen Satz. Eine „informative Zustimmung“ setzt jedoch eine umfassende, vollständige (ärztliche) Aufklärung voraus, welche die Betroffenen auch in der Lage sind zu erfassen.

Aus Sicht des Leiters der Abt. Sicherheitsverwahrung, Thomas G., sei jedoch alles völlig unproblematisch, denn es handele sich um die millionenfach im Einsatz befindlichen Aufklärungsunterlagen, juristisch geprüft und völlig in Ordnung.

Berücksichtigt man jedoch den Umstand, dass der Anteil funktionaler Analphabeten im Strafvollzug überdurchschnittlich ist (in der Allgemeinbevölkerung gelten rund 6 Millionen Menschen als solche, also mehr als 7%), kann mit guten Gründen bezweifelt werden, dass die Mehrzahl der zu impfenden Insassen den Inhalt des Aufklärungsbogens vollumfänglich zu erfassen in der Lage ist.

Da man zudem schon bis zum 27.April 2021 per Unterschrift bescheinigen musste Gelegenheit zu einem impfärztlichen Aufklärungsgespräch bekommen zu haben, obwohl ein solches nicht stattfand, werden die Zweifel an der „informierten Zustimmung“ nicht geringer.

2. Urteil im Rattengift-Prozess

Wie vor einem Jahr berichtet, kam es in der Abteilung Sicherheitsverwahrung der JVA Freiburg zu einem körperlichen Angriff auf zwei Untergebrachte. Zwei 36- und 37-jährige Insassen stürmten erst die Zelle von H. und schlugen auf ihn ein. Als dann schon die Vollzugsbediensteten vor Ort waren, gelang es einem der beiden Angreifer in die Zelle eines weiteren Insassen einzudringen und diesen niederzuschlagen. Beide Angreifer landeten sofort in strenger Einzelhaft (auch Isolationshaft genannt).

Einige Tage später behauptete das erste Opfer, Herr H., in seinem Tiefkühlgemüse hätten sich blaue Brocken befunden, die dort nicht hingehörten. Das Gemüse hatte er im Gemeinschaftseisschrank der Station verwahrt. Die eingeschaltete Kriminalpolizei stellte im Verlauf der Folgewochen fest, dass es sich bei diesen Brocken um Rattengift gehandelt habe, welches mutmaßlich aus den im Gefängnishof aufgestellten Rattenfallen stamme. Das angebliche Anschlagopfer behauptete sodann mehrfach, auch gegenüber der Polizei, es habe niemals mit solch einem Angriff mittels Rattengift auf sich gerechnet. Diese Aussagen von ihm sollten später noch eine wichtige Rolle spielen.

In den Verdacht des versuchten Mordes, vermittels Vergiftung des Tiefkühlgemüses von Herrn H. gerieten nämlich die beiden Insassen, die zuvor den körperlichen Übergriff begangen hatten. Sie kamen sogar wegen dieses Verdachts für mehrere Monate in Untersuchungshaft, da der Ermittlungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl erlassen hatte. Ihr nachdrückliches Bestreiten half beiden nichts. Recht schnell legte sich die Staatsanwaltschaft Freiburg auf den Vorwurf des versuchten Mordes fest und klagte die beiden entsprechend an, sowie wegen des Vorwurfs der Körperverletzung.

Am 27.April 2021 verurteilte nunmehr das Landgericht Freiburg die beiden Angeklagten wegen der unstreitigen Übergriffe zu einem Jahr und 10 Monaten Freiheitsstrafe. Wegen des angeblich versuchten Mordes erfolgte allerdings ein Freispruch! Denn in dem mehrtägigem Prozess, unter Vorsitz von Richterin Dr. Kleine-Cosack, kam es am 3. Tag zur spektakulären Wende. Es tauchte eine E-Mail der JVA-Psychologin W. Auf, in welcher sie dokumentiert hatte, dass das angebliche Opfer H. schon längere Zeit vor dem angeblichen Attentat auf sich, eine Vergiftung speziell mit Rattengift befürchtet habe. Dies stand in eklatantem Widerspruch zu seinen vorherigen Aussagen und rückte jetzt ihn in den Fokus, d.h. es kam der Verdacht auf, er habe das Attentat auch sich lediglich inszeniert. Konsequenterweise belehrte ihn der Vorsitzende in einer weiteren Vernehmung dahingehend, dass er nichts sagen brauche, was ihn belasten könne.

In der mündlichen Urteilsverkündung führte die Vorsitzende aus, das angebliche Opfer habe ein mögliches Motiv, beispielsweise sich an den beiden Angeklagten zu rächen. Jedenfalls genügten die Indizien nicht, die beiden zu verurteilen! Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Revision möglich.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV)

Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com/

https://freedom-for-thomas.de/