Über einige Petitionen an den Landtag Baden-Württemberg


In allen Landtagen, sowie dem Bundestag gibt es sogenannte Petitionsausschüsse, welche sich mit Eingaben der BürgerInnen beschäftigen. Grundlage ist Artikel 17 Grundgesetz, das sogenannte Petitionsrecht. Im Folgenden soll es erst um eine Petition gegen den Polizeieinsatz anlässlich einer Corona-Demonstration in Freiburg gehen und in einem zweiten Teil um solche aus dem Bereich des baden-württembergischen Justizvollzug. Im Schlussteil möchte ich die Sinnhaftigkeit von Petitionen diskutieren.

I. Corona-Demonstration am 22.10.2020 in Freiburg

Wie die Badische Zeitung im Oktober 2020 berichtete, hatten sich am 22.10. hunderte GegnerInnen der Corona-Maßnahmen in der Altstadt von Freiburg eingefunden, wobei sie im Regelfall sich weder an den Mindestabstand noch an die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gehalten hatten.
Die Polizei soll all dies hingenommen haben ohne einzuschreiten oder die Versammlung aufzulösen.

Wie der Landtag (Landtagsdrucksache 16/9745, dort: Ziffer 3) nach Einholung einer Stellungnahme des Innenministeriums mitteilt, sei dies rechtmäßig verlaufen. Insbesondere habe die Polizei Kontrollen durchgeführt, zur Einhaltung der Auflagen aufgerufen und sogar gegen einige wenige DemonstrantInnen Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.

Die detaillierten Ausführungen können auf der Webseite des Landtages (https://www.landtag-bw.de) nachgelesen werden.

II. Justizvollzug

Der Landtag hat sich mit ganz unterschiedlichen Fragen zu befassen. Sie reichen von der Kleidung, die ein Insasse bei der Ausführung in die Stadt tragen möchte (1.), den Einsatz von Auszubildenden im Bereich der Sicherungsverwahrung (2.), etwaige Zwangsversetzungen von Bediensteten (3.), oder einen möglichen Therapeutenwechsel (4.).

II.1.     Kleidung
    

Ich selbst trage seit einigen Jahren gerne sogenannte arabische Gewänder, freilich ohne einen etwaigen religiösen Hintergrund. Sie sind schlicht bequem und schlicht. Die Justizvollzugsanstalt Freiburg hatte mir vergangenes Jahr verboten, solche Gewänder bei den vier Mal im Jahr stattfindenden und von Bediensteten bewachten Spaziergängen in der Innenstadt zu tragen. Sollte ich auf das Tragen weiterhin bestehen, dürfe ich nur noch „in den Wald“ gehen.

Als ich deswegen eine Petition an den Landtag richtete, änderte die Anstalt ihre Entscheidung und gestattete weiterhin das Tragen der Gewänder auch bei Betreten der Innenstadt (Landtagsdrucksache 16/9427, dort: Ziffer 2).

II.2.    Einsatz von Azubis in der Sicherungsverwahrung

Immer wieder setzt die Anstalt auf den vier Stationen der SV-Anstalt Azubis des uniformierten Dienstes ein. Langjährige Beschäftigte kritisieren dies, aber auch Insassen. Denn im Alltag wirken die Azubis mitunter überfordert. Zum anderen sieht das Justizvollzugsgesetz eigentlich vor, dass in der SV nur erfahrene Bedienstete arbeiten dürfen, die zudem besonders geschult sind. Nicht zu vergessen, dass Justiz und Politik immer wieder betonen, in der SV säßen die „Gefährlichsten der Gefährlichen“, so dass es pittoresk anmutet, wenn dort Azubis zum Einsatz kommen.

Der Landtag stellt sich aber hinter die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt (Landtagsdrucksache 16/9740, dort: Ziffer 5). Der Einsatz der Azubis sei notwendig, denn die Alternative bestünde dann nur darin, dass man die Zellen erst gar nicht öffnet. Im Übrigen würden so die Azubis auch wertvolle Erfahrungen in einem Teilbereich des Justizvollzuges sammeln können.

II.3.    Zwangsversetzungen von Bediensteten

Immer wieder werden aus dem Bereich der SV langjährige Bedienstete wegversetzt in den Bereich der Strafhaft. Da viele Insassen kaum über Außenkontakte verfügen und dann im Verlauf der Jahre Bedienstete zu wichtigen Ansprechpartnern werden, bedeutet dies dann einen Beziehungsverlust. Mal davon abgesehen, dass im Alltag sich nicht wenige Bedienstete bei Insassen darüber beklagen, wie prekär ihr Arbeitsplatz sei, dass sie bei Ungehorsam gegenüber den Vorgesetzten, oder wenn sie zu oft krankgeschrieben seien, mit der Wegversetzung rechnen müssten.

Es macht auch von den Arbeitsbedingungen einen Unterschied, ob jemand auf einer Station der SV mit maximal 16 Insassen Dienst schiebt, oder im Bereich der Strafhaft mit doppelt oder drei Mal so vielen Menschen. Nicht zu vergessen, für die Arbeit in der SV gibt es eine eigene Stellenzulage!

Der Landtag stellt sich jedoch auf den Standpunkt, dass jede Versetzung erforderlich sei, und wer eben oftmals krank sei, der sei vielleicht schlicht überfordert von der anspruchsvollen Tätigkeit in der SV, so dass schon aus Gründen der Fürsorgepflicht für das Personal eine Versetzung angebracht sei (Landtagsdrucksache 16/9740, dort: Ziffer 3).

II.4    Therapeutenwechsel im Bereich SV

Auf den vier Stationen der SV sind drei männliche Therapeuten und eine weibliche Therapeutin tätig. Auffällig war, dass eine Therapeutin seit acht Jahren speziell mit zwei Insassen intensiv arbeitete und diesen dann auch erhebliche Therapiefortschritte attestierte, unterstützt von externen Gutachtern. Im Haftalltag fielen aber gerade diese beiden Vorzeigeklienten immer wieder durch ein Verhalten auf, das von wüsten Beleidigungen bis hin zu massiven Bedrohungen reichte. Also einem Verhalten, das zumindest aus Sicht von Laien, im Gegensatz zu den bescheinigten Fortschritten zu stehen schien. So dass beim Petitionsausschuss um Unterstützung für die Überlegung gesucht wurde, in Fällen sehr langer therapeutischer Beziehungen, zumal zu einer weiblichen Therapeutin, wenn die Klienten wegen zahlreichen Vergewaltigungen und in einem Fall auch wegen eines Tötungsdelikts zum Nachteil einer Frau einsitzen, intermittierend einen männlichen Therapeuten einzusetzen oder überhaupt den Therapeuten mal zu wechseln, um die beglaubigten „Fortschritte“ einem Realitätstest zu unterziehen.

Dem vermochte sich der Petitionsausschuss des Landtages nicht anzuschließen (Landtagsdrucksache 17/9740, dort: Ziffer 2), insbesondere sei nicht zu befürchten, dass bei langjähriger therapeutischer Beziehung „blinde Flecken“ entstünden, die zu Fehlbeurteilungen führen, denn die TherapeutInnen seien eingebettet in ein multidisziplinäres Team, und zudem kämen auch externe GutachterInnen zum Einsatz.

III. Zur Sinnhaftigkeit von Petitionen

In wenigen Fällen sind Petitionen erfolgreich, im Sinne einer Änderung der in der Petition beanstandeten Praxis. Aber immer wieder reagieren Verwaltungen dennoch, wenn plötzlich eine Petition eingereicht wird, und die Behörde ihr Vorgehen nicht nur gegenüber dem vorgesetzten Ministerium, sondern auch dem Landtag rechtfertigen muss (beispielhaft sei hier auf das oben geschilderte Beispiel der Bekleidung bei der Ausführung verwiesen).

Freilich verbleibt eine Petition zwangsläufig immer im engen Korsett der bestehenden Normen, denn es kann wenig anderes gerügt werden, als dass eine bestehende Praxis, aus Sicht der Beschwerdeführenden nicht den bestehenden Normen entspricht. Zwar kann auch angeregt werden, bestehende Gesetze oder Verwaltungsvorschriften zu ändern, aber diese Form von Kritik bleibt ebenfalls systemimmanent und letztlich ohne viel emanzipatorisches Potential.

Wenn wir die Perspektive von inhaftierten Menschen einnehmen, die zudem vielfach über wenig Unterstützung von außerhalb der Mauern erfahren, denen als Protestmöglichkeit neben Hungerstreik und Gewalt nur wenige Handlungsmöglichkeiten verbleiben, sich gegen aus ihrer Sicht als ungerecht oder unrechtmäßig empfundenen Zustände zu wehren, kann die Petition als niederschwellige Form der Kritik helfen, das Gefühl der eigenen Hilflosigkeit wenn schon nicht zu überwinden, so doch zumindest zu mindern.
          
Thomas Meyer-Falk, z. Zt. Justizvollzugsanstalt (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
Archiv: http://www.freedom-for-thomas.de

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